Wer vor 10 Monaten gesagt hätte, der 1. FC Nürnberg würde das deutsche Pokalendspiel 1982 erreichen und er würde diesen Pokal zum 4. Male gewinnen können, den hätte man wohl für verrückt erklärt. Der Club hat dieses Finale erreicht und er war an diesem 1. Mai 1982 im Frankfurter Waldstadion gegen den großen FC Bayern München, dem amtierenden Deutschen Meister und Europapokal-Finalisten, keineswegs der „Spielball" der Bayern.
Der 1. FC Nürnberg spielte im Waldstadion eines seiner besten Spiele seit Jahren! Er begeisterte, er riß mit, er brachte die Münchner an den Rand einer Niederlage, er schoß zwei herrliche, fast sagenhafte Tore, er baute vorgefertigte Meinungen ab und er sorgte dafür, daß dieses DFB-Pokalfinale zu einem Fußball-Ereignis wurde. Und das alles, obwohl der 1. FC Nürnberg mit 2:4 gegen die Bayern verlor.
2:0 führten die Nürnberger bis zur Pause. Völlig verdient. Und sie bekamen für ihr flottes, forsches, gutes und offensives Spiel brausenden Halbzeit-Beifall. Und warum dann nach der Pause die große Wende?
Die Bayern kamen mit dem Mute der Verzweiflung. Spieler, die sonst nur Durchschnitt sind, wurden plötzlich zu großen Kämpfern und entscheidenden Figuren. Der enorme Druck, den München nun auf den Club auszuüben begann, war zu stark und nach dem zu raschen Anschlußtreffer wurde die Unordnung immer größer in der Club-Abwehr.
Und da hätte der Club seine große Chance gehabt, dieses Pokalfinale zu gewinnen, hätte es nicht an diesem Samstag einen Schiedsrichter namens Gerd Hennig gegeben. Er wurde zur spielentscheidenden Figur in diesem Endspiel der Superlative. Nur er paßte nicht in diesen Rahmen, in dieses Stadion voller Begeisterung, voller Dramatik. Daß sich der aufbäumende David 1. FCN schließlich geschlagen geben mußte gegen den wankenden Goliath, dafür sorgte dieser Herr Hennig aus Duisburg.
Seine Reverenz für Stars wie Breitner, Rummenigge, Dremmler und Co. kam vollends zur Geltung, als er in der 72. Minute - beim Stande von 2:2 -einen höchst gelungenen „Sturzflug" des Frankfurters im Münchner-Trikot, Wolfgang Kraus, mit einem lächerlichen Elfmeterpfiff belohnte. Das ganze Entsetzen der Club-Spieler war zu sehen. Kargus war ratlos, dem Weinen nahe. Stocker war wutentbrannt, Weyerich und Heck sowie Hintermaier beschwörten den Unparteiischen, der nun offensichtlich allzusehr Partei ergriffen hatte.
Elfmeter! Beim Stande von 2:2. In einem deutschen Pokalfinale. Ein Elfmeter, verhängt und verordnet für etwas, was gar nicht geschehen war. Kein Foul von Stocker. Zum wiederholten Male unterstrichen es später die Zeitlupenaufnahmen.
Spötter behaupteten sogar, der neben Kraus laufende Rummenigge habe seinem Mitspieler ein Bein gestellt, um den Elfmeter zu bekommen.
Also Elfmeter! Entscheidung für eine Mannschaft, die in diesen letzten 20 Minuten wieder in Schwierigkeiten zu kommen schien. Denn der Club startete seine Konter, begann sich grade zum Endspurt zu sammeln.
Der Herr aus Duisburg - er wurde eigentlich in Nürnberg immer freundlich empfangen, was hatte er wohl an diesem 1. Mai gegen den Club? - hatte also entschieden. Und er blieb dabei. Er hatte mit einem Pfiff über Wohl und Weh von Spielern geurteilt.
Was geht eigentlich in einem Manne vor, der viele Jahre lang in der obersten Spielklasse entscheidende Spiele leitet, der - den Abschied von der großen Fußballbühne vor Augen - sein letztes „Dankeschön" vom DFB in Form dieser Endspielberufung erhält und dann so kraß danebenpfeift?
Was denkt sich eigentlich ein Mann wie er, der den „namenlosen" Nürnbergern gleich zu Beginn, nach rund 20 Minuten, einen glasklaren Elfmeter (Foul an Dressel) verweigert, der später in der 56. Minute auch noch ein klares „Nachfassen" von Torhüter Müller an Werner Heck geflissentlich übersieht und dann bei der Theatralik des Herrn Kraus spontan auf den Elfmeterpunkt zeigt?
Gute Schiedsrichter verhängen in solchen Fällen eine gelbe Karte für einen Schauspieler wie Kraus. Aber nur gute ...
Kraus bekam einen Elfmeter geschenkt und damit die Bayern den Pokal. Das soll nun beileibe nicht heißen, daß der Club auf jeden Fall ohne diesen Elfmeter gewonnen hätte. Die letzten 20 Minuten wären aber auf alle Fälle offen gewesen. Hätte Bayern mit einer klaren Entscheidung bei einem tatsächlichen Foul oder in dieser Phase mit einem ganz normalen Tor die Partie entschieden (das 4. Tor in der Schlußminute von Hoeneß war eigentlich nur noch das Zubrot), niemand hätte sich von Nürnberger Seite aufgeregt. So aber bleibt dieser schale Nachgeschmack ...
Bleiben wir noch ein bißchen beim Schauspieler Wolfgang Kraus. Der Gipfel seiner Schauspielkunst war noch seine Aussage nach dem Spiel. Zu dem Elfmeter befragt, meinte er: „Es war ein eindeutiges Foul von Stocker. Auf jeden Fall habe ich mich nicht einfach fallen lassen. Immerhin habe ich dabei ein blaues Auge davongetragen." Klar war: von Stockers „Foul" war nichts zu sehen, Kraus ließ sich tatsächlich „nicht einfach fallen", sondern er half mit einem kräftigen „Segler" nach. Und schließlich wurde Kraus nicht bei dem „Stocker-Foul" am Auge verletzt, sondern als er nach seinem herrlichen Sturzflug auf Norbert Eders Stiefelspitze flog.
Na ja, Club-Freunde. Spülen wir uns den schalen Nachgeschmack, der nach dieser Schiedsrichterentscheidung zurückbleibt, kräftig hinunter. Freuen wir uns über die großartige Leistung unserer Mannschaft. Freuen wir uns über den hervorragenden Eindruck, den unsere Spieler, den damit unser 1. FC Nürnberg auf die vielen Millionen an den Fernsehgeräten in ganz Deutschland und in den angrenzenden Nachbarländern machte. Sagen wir am Schluß als Club-Anhänger Dank der gesamten Mannschaft, dem Trainer Udo Klug, dem Manager Udo Klug, dem Co-Trainer Fritz Popp und der Vorstandschaft mit ihrem Präsidenten Michael A. Roth. Ausgewogene Vereins- und Fußball-Politik in den letzten Monaten hat viel zu diesem Erfolg beigetragen.
Bleibt mir nur als Schlußsatz: Der Club hat zwar verloren - aber neues Image gewonnen!