26. Spieltag 1972 / 73 Sa., 10.03.1973

Regionalliga Süd

SSV Reutlingen - 1. FC Nürnberg

0:3 (0:1)

SSV REUTLINGEN:

Hauser, Schimmel, Murrmann, Kasperski, Pleikres, Lühr, Kapp, Vöhringer, Wolny, Haug, Schwehm

Trainer: ?

Wechsel: ---

Karten: ?

Tore: ---

1. FC NÜRNBERG:

Schweers, Schuster, Schabacker, Nüssing, Kröner, Sturz, M. Petrovic, S. Petrovic, Drexler, M. Müller, Hampl

Trainer: Cajkovski

Wechsel: Brunner für Schabacker (62.), Michl für Drexler (70.)

Karten: ?

Tore: 0:1 Nüssing (9.), 0:2 Drexler (70.), 0:3 Michl (85.)

-

Schiedsrichter: Boos

Zuschauer: 3000

Besondere Vorkommnisse: Nüssing trifft Elfmeter (9.)

Spielbericht aus der FCN-Vereinszeitung Nummer 4 vom April 1973

Sieg und Punkte unter der Achalm

Wer des öfteren in Reutlingen war, weiß, was die Achalm ist und bedeutet: Es ist das Wahrzeichen der Achalmstadt, sogar eine Brauerei trägt ihren Namen; ein sagenumwobener Berg mit einer Legende verbunden. Aber hier soll kein heimatgeschichtlicher Vortrag gestartet werden, sondern ein wirklichkeitsnaher Bericht von einem Spiel, das für beide Vereine von entscheidender Bedeutung war. Für Reutlingen war es noch einmal eine allerletzte winzige Chance, vielleicht doch noch dem Abstieg zu entrinnen und auf der anderen Seite mußte der Club seine Anwartschaft auf den zweiten Platz unter allen Umständen wahren.

Nun auch die gerngesehenen Gäste aus Nürnberg vermochten die Massen aus der Metropole der Textil- und Lederbranche nicht mehr zu mobilisieren. Man hat sich offensichtlich bereits mit dem Abstieg abgefunden. War es daher symbolhaft, daß zu Beginn des Spieles bereits die Vereinsfahne des SSV Reutlingen — umrahmt von dem Landes- und Bundesbanner — auf Halbmast gesetzt war? Einen um so erfreulicheren Lichtblick für die auswärtigen Zuschauer bildete die herrliche Aussicht von der Tribüne auf die schneebedeckte schwäbische Alb im Hintergrund.

Schade um die Reutlinger Fußballer — immer ein renommierter Gegner — und die Spiele gegen den Nürnberger Club zählten seit eh und je zu den absoluten Höhepunkten der Saison und zu den bestbesuchtesten Begegnungen. Es ist schwer zu ergründen, wie eine solche Stadt mit vielfältiger und gesunder Industrie und dem Sitz zahlreicher Millionäre in Sachen Fußball so rückläufig tendiert, denn der Abstieg aus der Regionalliga ist nicht mehr zu verhindern. Dies dürfte dann auch das endgültige Aus in Sachen „2. Bundesliga" sein, obwohl gerade hier die Vorbedingungen nicht die schlechtesten gewesen wären. Aber nun zum Spiel selbst. Vorweg sei gesagt, daß es keine gute und mitreißende Partie war. Aber was soll's? Der Club hat schon in vielen Fällen großartig aufgespielt und mußte dennoch die entscheidenden Punkte an den Gegner abgeben.

Ohne Zweifel ließ er in Reutlingen manche Wünsche offen und konnte nicht restlos überzeugen, aber er kassierte letztlich zwei Punkte und schoß drei Tore. Sicherlich lagen die technischen und spielerischen Vorteile eindeutig auf Seiten des Clubs und die Reutlinger versuchten mit letzter Energie sich gegen das Schicksal zu stemmen, aber sie besaßen nicht mehr die moralische Kraft, boten eine schwache Leistung, so daß der schlechte Tabellenstand zu verstehen ist. So wurde auch der Club nicht gefordert und gezwungen, aus der Reserve herauszugehen. Bei einem aus der Tiefe mustergültig vorgetragenen Angriff konnte der offensive Vorstopper Sturz nur noch regelwidrig vom Ball getrennt werden, so daß Schiedsrichter Boos aus Kronberg im Taunus — übrigens ein Neuling in der Regionalliga — keinen Zweifel an seiner Elfmeterentscheidung aufkommen ließ. Dieter Nüssing, der Kapitän nahm die Ausführung selbst vor und ließ nach Täuschung Torwart Hauser keine Chance. Das brachte bereits in der 9. Minute die 1:0-Führung.

Wer nun annahm, daß jetzt der Club zu seinem Spiel finden würde, sah sich getäuscht; er tat eben nur das, was unbedingt nötig war, den knappen Vorsprung zu halten, was ihm auch ohne große Schwierigkeiten gelang. Dem Treffen fehlte die Würze und das Fluidum, um Begeisterung auf den Rängen zu entfachen. Bis weit in die zweite Hälfte hinein wehrten sich die Reutlinger gegen die drohende Niederlage und waren eifrig um eine Resultatsverbesserung bemüht, als ihnen Drexler nach einer Flanke von S. Petrovic den entgültigen K. o. versetzte. Das dritte und letzte Tor war nur noch der Schlußstrich einer abflauenden Partie gegen einen resignierenden Gegner. Allerdings war dieser dritte Treffer der schönste. Hampl wurde am rechten Flügel freigespielt, konnte unbehindert eine gefühlvolle Flanke nach innen schlagen, wo der mitgelaufene Michl mit einem herrlichen Kopfball genau ins Tordreieck traf. Ein Klassetor, das die vielen Clubfans wieder versöhnte. Michl und Brunner waren nach der Pause neu ins Spiel gekommen.

Abschied für zumindest geraume Zeit von Reutlingen, von der Kreuzeiche, von der Achalm, wo der Unterzeichnete in den vergangenen Jahren packende und reizvolle Duelle zwischen beiden Kontrahenten miterleben durfte. Abschied auch für die Achalmstädter, die sich noch oft an den Club aus Nürnberg wehmütig zurückerinnern werden.

Hermann Weber, Neckarsteinach

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