Da wir selbst einmal im Glashaus der übermäßig verstärkten Abwehr saßen - wenn auch ohne Erfolg und vor allem nur vorübergehend - wollen wir nicht mit Steinen werfen. Aber ein paar grundsätzliche Feststellungen kann man sich gleichwohl nicht schenken. Denn über dieses Spiel zu berichten, bedeutet für den Fußballfreund etwa so viel als müßte man ein Glas Lebertran schlucken. Und die Zuschauer gingen nicht etwa enttäuscht, sondern den Bauch voller Grimm nach Hause. Denn was sie erlebt hatten, war kein Fußballspiel, sondern nur eine Karikatur davon.
Die Eintracht brachte elf Spieler mit, von denen jedermann weiß, daß sie etwas vom Fußballspielen verstehen. Aber von dieser ihrer Kunst, die die „Derbys" zwischen dem Club und der Eintracht schon oft zu echten Demonstrationen süddeutscher Spielkultur machten, durften sie nichts zeigen. Ihr Trainer Elek Schwartz zwang sie, eine Schmierenvorstellung mit Mauern und Gebolze zu geben, die einer Mannschaft von wirklichem spielerischen Können unwürdig ist. Das stellten wir nicht aus Ärger über den entgangenen einen Punkt fest, sondern deswegen, weil eine solch armselige Methode nur den Torso eines Fußballspiels darstellt, mit dem man die Zuschauer langsam aber sicher von den Rängen vertreibt. Gerade aber Leute, die vom Fußball leben, sollten ihn und seine Anziehungskraft nicht kaputtschlagen! Hätte der Clubsturm in seiner Gesamtheit nicht einen schwarzen Tag gehabt, hätte Elek Schwanz wenigstens die Quittung bekommen, die allein geeignet ist, mit einer Pseudotaktik aufzuräumen.
Die Eintracht ließ ihre Aufstellung schon mit 4 Verteidigern, 2 Läufern und 4 Stürmern ankündigen! Was aber auf dem Spielfeld geboten wurde, war kein 4-2-4, sondern ein 6-2-2, das seinerseits nur in kurzen Perioden eingehalten wurde. Meist war Huberts allein auf weiter Flur im Vorfeld, Solz und Lotz assistierten ihm nur sporadisch. Oft genug werkelten 10 Eintrachtspieler im Strafraum und seiner unmittelbaren Umgebung, nur gewillt, den Ball wegzudreschen, gleichgültig, wo immer er landen mochte. Wabra war wenigstens in der ersten Hälfte nahezu arbeitslos und der Zufall war der einzige Bundesgenosse der Frankfurter Attacken. Der Zufall ist zwar blind, aber er ließ sich erfreulicherweise nicht dazu mißbrauchen, das Ergebnis durch einen Gelegenheitstreffer der Gäste vollends zu verfälschen.
Daß der Club gegenüber dieser „Taktik" des Gegners, die für Spitzenmannschaften ein ausgesprochenes Armutszeugnis bedeutet, nicht zu beiden Punkten kam, lag freilich auch an ihm selbst und ist die einzige andeutungsweise Rechtfertigung dafür, daß der Frankfurter Trainer nach dem Schlußpfiff den Platz jubelnd verlassen konnte. Ob er auf das Korn, das dabei abfiel, auch stolz ist?
Es hat mancherlei Gründe, daß es unsere Elf nicht fertigbrachte, die Mauer zu brechen. Wie es von vielen erwartet war, war die Aufstellung von Reisch im Sturm ein Fehlschlag, der gewiß nicht nach einer Wiederholung dieses Experiments ruft, insbesondere, da Müller noch weit davon entfernt ist, das Heft im Aufbau der eigenen Angriffe mit Übersicht und Intuition in die Hand zu nehmen. Er bringt zur Zeit noch nicht (oder nicht mehr) die Leistung, die man sich einst von ihm versprochen hatte. Im Mittelfeld fehlten die Einfälle, die vielleicht Reisch in der Läuferposition gehabt hätte. Unser Spiel lief gegenüber der Methode des Gegners wieder einmal zu sehr in die Breite, die unverhofften Schüsse aus der zweiten Reihe blieben Mangelware, in torreifen Situationen, die sich ausreichend boten, fehlte unseren Stürmern der letzte Funke an Explosivität, man wollte Treffer herausspielen, anstatt sie zu schießen und es erscheint als wichtige Aufgabe des Trainings, unseren Schützen beizubringen, daß nicht vier von fünf Schüssen über den Kasten gejagt werden dürfen.
Der Elfmeter in der 55. Minute nach einem Foul an Strehl, der in aussichtsreicher Situation gelegt worden war, schien gleichwohl die Methode von Schwanz ad absurdum zu führen. Daß er nicht zu einem Treffer führte, war die psychologische Folge des geschwundenen Selbstvertrauens, das Reisch in seiner verfehlten Position mit fortschreitender Spieldauer verließ und verlassen mußte. Der sonst so gewitzte Strafstoßschütze plazierte das Leder genau dahin, wo es 30 000 im Rund hatten kommen sehen, natürlich auch der großartige Kunter im, Tor der Gäste, der sich an die richtige Stelle warf, ehe Reisch abgeschossen hatte. Ein nicht geahndeter Regelverstoß freilich, aber er blieb im Rahmen des ganzen Geschehens, das niemanden befriedigen konnte. Lichtblicke blieben die reife Leistung von Hilpert und der vielversprechende Einsatz von Volkert, der angesichts der Mängel unserer Angriffskonzeption allerdings fruchtlos bleiben mußte. Vielleicht hätte die Eintracht auch in offener Feldschlacht einen Punkt nach Hause gebracht. Die Art und Weise, in der es ihr so gelang, ist eine Sünde am Geist und Sinn des Fußballspiels. Wenn unsere Bundesligavereine teilweise wirtschaftliche Sorgen haben, dann ist es in erster Linie die Folge dieser Verfälschung der Elemente, die den Fußball zum Massensport machten. So war der Schlußpfiff fast eine Erlösung.
Dr. K. Brömse