Die Endrunde zur deutschen Fußballmeisterschaft brachte den Club auch in diesem Jahre wieder mit dem Vertreter des Berliner Fußballs zusammen. Schon am ersten Spieltag ließ der Berliner Meister gegen den 1. FC Kaiserslautern keinen Zweifel darüber aufkommen, daß er nicht gewillt war, einen Punktelieferanten abzugeben, sondern als durchaus ernstzunehmender Mitbewerber um den Gruppensieg gelten wolle. Der Club trat die Reise nach Berlin mit dem Wissen um die Schwere der dort zu lösenden Aufgabe an. Alle Spieler hatten sich ernsthaft vorbereitet, und wollten in Berlin nicht nur siegen, sondern endlich einmal eine überzeugende Vorstellung Nürnberger Fußballkönnens geben.
Strahlender Sonnenschein lag über dem Olympiastadion und gegen die schöne Maisonne galt es auch eine Halbzeit lang anzukämpfen, nachdem Nandl Wenauer die Platzwahl verloren hatte. Rund 50 000 Zuschauer waren zugegen, als SR Fritz die Partie anpfiff. Der befürchtete Blitzstart der Herthaner blieb aus und die erste Viertelstunde stand im Zeichen zweier betont auf Sicherheit spielenden Mannschaften. Schon zu diesem Zeitpunkt war zu erkennen, daß der durch den Ausfall von Tasso Wild sich zwangsläufig anbietende taktische Zug, mit Bobby Gettinger als zurückgezogenem Halbstürmer die Kreise des Berliner Spielmachers Faeder zu stören, dem gegnerischen Sturm viel von seiner Gefährlichkeit nahm. Abgesehen von einer brenzlichen Situation vor dem Clubtor, die durch einen Ausrutscher von Hilpert verursacht wurde, kamen nur ein paar Weitschüsse auf oder neben das Clubtor. Auf der anderen Seite kreuzte der durch den offen-siv spielenden Steff Reisch verstärkte Clubsturm recht gefährlich vor Torwart Tillich auf. Ein Kopfball von Max Morlock klatschte an die Querlatte und dann hatte der Berliner Torhüter alle Mühe, einen Flachenecker-Schuß unschädlich zu machen. Nach einem harmlosen Mittelfeldgeplänkel gab Max Morlock einen Musterpaß auf den linken Flügel. Micki Dachlauer lief ein paar Schritte und überwand den im kurzen Eck stehenden Tillich mit hartem Schuß. Trotz dieser guten Leistung regte sich keine Hand zum Beifall. Die Berliner waren bitter enttäuscht, daß ihre Mannschaft in der ersten Spielhälfte gänzlich unter Kontrolle der Nürnberger stand. Die Mißfallenskundgebungen, die Hertha BSC in die Halbzeit begleiteten, wandelten sich nach Wiederbeginn sehr schnell zu begeisterten Anfeuerungsrufen, als die Herthaner vom Anstoß weg für eine Viertelstunde alle Hemmungen abstreiften und mit einer Dauerbelagerung des Clubtores begannen. In dieser Spielphase rettete Roland Wabra den Clubsieg. Er vollbrachte eine Glanzparade nach der anderen, ja er hypnotisierte die Berliner Stürmer förmlich, so daß sie, mehrmals allein vor ihm stehend, klare Chancen nicht verwerten konnten. Aber allmählich schloß sich die Clubabwehr, Nandl Wenauer war der ruhende Pol und der Club übernahm erneut das Kommando. Bereits vorher hatte Peter Engler, dem trotz der heimatlichen Atmosphäre nichts gelingen wollte, eine gute Möglichkeit ausgelassen. Ab der 63. Minute wurde es vor Tillichs Gehäuse wieder gefährlich. Heinz Strehl und sein hervorragender Gegenspieler Dr. Schüler lieferten sich feine Duelle. In der 80. Minute übernahm der Clubmittelstürmer einen Paß von Max Morlock und schoß hart bedrängt zum 2:0 ein. Genau ins rechte Tordreieck sauste der Ball. Die Hertha-Spieler resignierten und der Club war für den Rest der Spielzeit klar überlegen.
Dem Treffen fehlte zwar die Rasse und der Glanz der Begegnung Club 1. FC Köln, aber es brachte wieder den Beweis, daß die Nürnberger in der Lage sind, ihr Spielkonzept dem Gegner aufzuzwingen. Die Erfahrungen, die in großen Spielen gesammelt wurden, machten sich bezahlt. Der Sieg des 1. FCN war verdient, wenn auch in einigen Situationen das Glück auf seiner Seite stand. Die Überlegenheit des Clubs in allen technischen Belangen und in der taktischen Einstellung konnte nicht übersehen werden.
Die Clubelf blieb dem Berliner Publikum zwar erneut ein mitreißendes, schönes Spiel schuldig, aber das kann im ersten Bundesligaspiel, ohne die Nervenbelastung einer Endrundenbegegnung, nachgeholt werden.
W. Luther