Deutsche Meisterschaft 1962 / 1963 Sa., 25.05.1963

Gruppe I - Spiel 1

1. FC Nürnberg - 1. FC Köln

3:3 (3:3)

1. FC NÜRNBERG:

Wabra;

Leupold, Hilpert;

Flachenecker, Wenauer, Reisch;

Strehl, Morlock, Wild, Haseneder, Engler

Trainer: Herbert Widmayer

Tore: 1:1 Reisch (9.), 2:3, 3:3 Strehl (36., 45.)

1. FC KÖLN:

Ewert;

Schnellinger, Pott;

Sturm, Wilden, Hemmersbach;

Hornig, Ripkens, Müller, Schäfer, Habig

Trainer: Sobek

Tore: 0:1 Sturm (4.), 1:2 Hemmersbach (14.), 1:3 Hornig (14.)

-

Schiedsrichter: Ott

Zuschauer: 46.000

Besondere Vorkommnisse: Reisch trifft Elfmeter (9.)

Spielbericht aus der FCN - Vereinszeitung Nummer 6 Vom Juni 1963

Kölns „Traumfußball" währte nur eine halbe Stunde, dann kam der Club!

Eine halbe Stunde lang zauberte der 1. FC Köln, dann kam der Club. Die Kölner starteten im Sprintertempo, darauf waren die Nürnberger einmal mehr nicht gefaßt. Bereits nach 15 Minuten schien das Rennen für die rheinischen „Traumfußballer" gelaufen zu sein. Regisseur Hans Schäfer konnte seine Kreise ziehen, als ob es für die Nürnberger kein Berlin 1962 gegeben hätte. Diese Vergeßlichkeit beschwor den Kölner Traumfußball herauf. Die Rheinländer hatten zudem das nicht alltägliche Glück, binnen einer Minute zweimal ins Schwarze zu treffen. Vermutlich hätte keine deutsche Elf diesen Vorsprung noch aufzuholen vermocht. Doch der Club resignierte nicht. Die Zaboaner wußten, daß ein Fußballspiel 90 Minuten dauert. Sie glaubten an ihre Chance und just als tausende von Clubanhängern ob der Kölner Galavorstellung ins feindliche Lager überschwenkten, gewannen die „Weinroten" mehr und mehr an Boden. Strehls Anschlußtor leitete den Umschwung ein. Ehe die ersten 45 Minuten um waren, hatten die „altmodischen", langsamen Nürnberger den Vorsprung der Kölner Sprinter egalisiert. Die zweite Halbzeit gehörte dem großartig auftrumpfenden Club. Es war ein faszinierendes Fußballspiel. Etliche Experten unter den rund 45 000 Zuschauern behaupteten, Köln hätte in der ersten halben Stunde „Traumfußball" und der Club in der 2. Hälfte gute Fußballkost geboten.

Tatsache ist, daß den Kölnern beizeiten der Atem ausging, während der Club einem Perpetuum mobile glich und weitaus bessere Chancen hatte, das Spiel zu gewinnen. Tormann Ewert, seine Vorderleute und das Glück bewahrten Köln vor einer Niederlage!

Der Club hatte Anstoß, aber sofort übernahmen die Kölner das Kommando. Bereits in der 4. Minute mußte Wabra hinter sich greifen. Die Kölner hatten einen Schulangriff inszeniert. Außenläufer Sturm schaltete sich als 6. Stürmer ein und drosch aus 10 Metern Entfernung das Leder ins Netz. Wenig später parierte Ewert einen Morlock-Schuß. Der Club schien zu kommen. Eine gelungene Kombination brachte Engler ins Spiel. Der schwarze Peter ließ Schnellinger stehen und drang in den Strafraum ein. Da machte Wilden ein langes Bein, Engler wirbelte durch die Luft und sofort entschied SR Ott auf Elfmeter. Stefan Reisch verwandelte den Strafstoß kaltschnäuzig zum 1:1.

Doch nun trumpften die Kölner auf. Die Zuschauer hatten oft den Eindruck als liefen 10 „Harys" gegen 10 Langstreckler um die Wette. Das mußte ins Auge gehen. Hornig machte Leupold das Leben sauer und Hans Schäfer dirigierte nach Belieben. Die 14. Spielminute brach an. Hemmersbach erhielt 20 Meter vor dem Clubtor den Ball. Der Kölner fackelte nicht lange und schoß. Die weiße Kugel bekam Effet und schlug genau im Torkreuz ein. Noch war dieser Sonntagsschuß nicht verdaut, da nahm das Unheil erneut seinen Lauf. Wieder starteten die Kölner einen Blitzangriff. Wabra wollte retten, aber schon war Hornig zur Stelle und lenkte das Leder ins Netz. 1:3 nach 15 Minuten! Allen Clubfreunden lief es eiskalt über den Rücken. Denn erneut stürmte die „Geißbock"-Elf, und wie! Bis zur 30. Minute dauerte dieser Wirbel. Rufe „Club erwache!" wurden laut, maßlose Enttäuschung machte sich breit. Aber plötzlich war aller Ärger verflogen. Als niemand daran dachte, wand sich Heinz Strehl an Nationalstopper Wilden vorbei und verkürzte auf 2:3. Von diesem Augenblick an war es endgültig mit dem Kölner „Traumfußball" vorbei. Der Club witterte seine Chance. Kurz vor dem Halbzeitpfiff nahm sich Tasso Wild ein Herz, versetzte die Kölner Abwehr und gab dem mitgelaufenen Heinz Strehl die Möglichkeit zum Ausgleichstreffer. Unbeschreibliche Begeisterung herrschte auf den Rängen. Der Club hatte ein bereits verlorengeglaubtes Spiel wieder aus dem Feuer gerissen.

Die zweite Halbzeit stand ganz im Zeichen des 1. FCN. Reisch, Flachenecker, Strehl, Wild und Morlock regierten auf dem Spielfeld. Die Kölner Abwehr wurde fast pausenlos gehetzt. Das Siegestor der Nürnberger hing bis zum Schlußpfiff in der Luft. Wilden wurde mit Heinz Strehl nicht mehr fertig. Schnellinger mußte den Clubmittelstürmer bewachen, doch Heinz gab auch dem Fußballer des Jahres manches Rätsel auf. Lediglich in der 56. Minute hatten die Kölner nochmals eine gute Chance. Hemmersbach kreuzte allein vor Wabra auf und hob den Ball übers Tor. Dann stand Ewert laufend im Brennpunkt des Geschehens. Immer wieder rettete der Kölner Schlußmann mit Glück und Geschick. Hilpert traf mit einem Bombenschuß nur den Pfosten. Dann rettete ein Kölner Verteidiger auf der Linie. Flachenecker stürmte allein dem Tor entgegen, doch wieder vermochte Ewert die Gefahr zu bannen. Die erregenden Szenen vor dem Kölner Gehäuse nahmen kein Ende, die Zuschauer fieberten bis zur letzten Sekunde, aber es blieb beim 3:3.

Ein großes Spiel war zu Ende. Hätte der Club nur einen Flügelstürmer vom Format des Kölner Hornig gehabt, wären beide Punkte in Nürnberg geblieben.

A. W.

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