Nach der klaren 0:3-Niederlage bei 1860 drehte sich das Personalkarussell bei Werder zwei Mal. Nach der Verpflichtung von Micoud setzte Coach Thomas Schaaf Borowski auf die Bank, der Neuzugang sollte den Part hinter den Spitzen übernehmen. Als solche durfte wieder Ailton fungieren, der als Partner von Daun für den Griechen Charisteas in die Anfangsformation kam. Eine Änderung gab es auf Seiten der Gäste aus Franken. Trainer Klaus Augenthaler brachte im Vergleich zum 3:1-Heimerfolg gegen Hannover Neuzugang Petkovic, der für Nikl ins Team rutschte. Der Jugoslawe nahm im Mittelfeld den Platz von Frey ein, der Kapitän rückte für Nikl rechts in die Viererkette.
Bremen erwies sich in der Anfangsphase als das aktivere Team. Neuerwerbung Micoud war dabei gleich auffällig. Der französische Nationalspieler prüfte Kampa aus 20 Metern (3.). Auf der Gegenseite köpfte Kos genau auf Borel, der das Leder abfing und einen schnellen Konter einleitete. Micoud spielte dabei einen feinen Pass auf Daun. Der junge Stürmer lief allein auf Kampa zu, scheiterte aber am glänzend reagierenden Keeper, der den Ball an den rechten Pfosten lenkte, bevor Sanneh endgültig rettete (7.).
Werder blieb auch in der Folgezeit die Spiel bestimmende Elf. Die Schaaf-Elf kombinierte besser und wirkte ballsicherer als die Clubelf, die sich vor allem im Vorwärtsgang viele unnötige Ballverluste erlaubte, zudem in der Abwehr alles andere als stabil wirkte. Einzig Kampa stemmte sich gegen die gegnerische Übermacht, parierte gegen Lisztes (18.) und Ailton (20.). Die Franken konnten sich zwar zwischenzeitlich vom Bremer Druck befreien, Müller war in der Offensive jedoch der einzige Akteur, der sich im Zweikampf durchsetzen konnte. Seine Einsatzfreude blieb freilich ohne Wirkung, da seine Flanken in der Mitte keine Abnehmer fanden.
Nach einer halben Stunde wurde die Heimelf für ihre Bemühungen belohnt. Daun drang nach Pass von Micoud auf der linken Seite in den Strafraum ein und wurde von Kos zu Fall gebracht. Schiri Kemmling pfiff sofort, Ailton ließ sich die Chance nicht entgehen und verwandelte sicher (30.). Die Norddeutschen blieben am Drücker, vergaben vor dem Wechsel bei klarsten Chancen eine höhere Führung. Die Gäste hatten im ersten Durchgang wohl einen Pakt mit dem rechten Torgestänge geschlossen. Erst scheiterte Micoud bei einem weiteren Strafstoß (Popovic an Ailton) an der rechten Torumrahmung (39.). Dann lief Ailton kurz vor dem Wechsel allein auf Kampa zu, umkurvte den besten Clubspieler, schob den Ball dann aber unkonzentriert aus halbrechter Position aus acht Metern nur an den rechten Pfosten (45.).
Wer geglaubt hätte, der Club würde mit engagierterem Einsatz aus der Kabine kommen, sah sich getäuscht. Bremen machte sofort nach der Pause da weiter, wo es aufgehört hatte. Bis auf wenige Ausnahmen sollte auch in den zweiten 45 Minuten nur eine Elf spielen. Daun verpasste zwei Mal das zweite Tor, bei seinen Großchancen konnte er den vorzüglich reagierenden Kampa nicht überwinden (46., 48.). Werder nutzte eine Vielzahl seiner Möglichkeiten nicht, der Club seine erste echte: Der gute Müller versetzte Baumann am linken Flügel, flankte in die Mitte, wo Ciric Krstajic entwischte und aus fünf Metern zum Ausgleich einnickte (54.).
Die Heimelf war geschockt, verlor kurzzeitig den Faden. Aber die Auszeit dauerte nicht lange. Die Franken verpassten es, dem Spiel ihren Stempel aufzudrücken. Fast teilnahmslos ermöglichte die oft haarsträubend agierende Club-Deckung die erneute Führung der Hausherren. Skripnik passte in den Strafraum, sträflich ungedeckt konnte Micoud den Ball annehmen und überwand Kampa aus acht Metern (59.). Wenig später legte Ailton noch einen Treffer nach. Im Anschluss an einen Eckball kam das Leder nach einem Befreiungsschlag von Lisztes zu Ailton. Der Brasilianer gewann das Laufduell gegen Larsen und schloss mit platziertem Linksschuss aus zehn Metern mit seinem zweiten Tor ab (66.).
Nun war der Goalgetter nicht mehr zu halten - nahezu jeder gefährliche Angriff lief über ihn. Folgerichtig war der Südamerikaner ein drittes Mal erfolgreich, der auch Sanneh nach tollem Pass von Ernst überspurtete und Kampa mit platziertem Linksschuss keine Abwehrmöglichkeit ließ (79.).
In der Schlussphase hatten die Bremer gegen die desolate Club-Abwehr noch mehrere gute Gelegenheiten, zu weiteren Toren zu kommen. Einzig Kampa und mit Abstrichen Müller verdienten sich in Reihen der Franken eine gute Note. Dem Keeper hatten es die Nürnberger zu verdanken, dass die Niederlage im Rahmen blieb.
Bremen gewann gegen die schwachen "Cluberer" hochverdient. Einziges Manko der spielerisch überzeugenden Werderaner war die mangelnde Chancenverwertung, die einen durchaus möglichen Kantersieg verhinderte. Die desolate Clubelf muss sich in den nächsten Partien mächtig steigern, ansonsten droht ein böses Erwachen.
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