Bayerns Trainer Ottmar Hitzfeld brachte nach dem 5:0-Derbysieg beim TSV 1860 München auf der linken Seite Zé Roberto für Schweinsteiger. Beim 1. FC Nürnberg kam es nach dem jüngsten 1:0-Erfolg gegen Werder Bremen zu folgenden personellen Änderungen: Ciric kehrte nach verbrummter Gelb-Rot-Sperre in den Angriff zurück. Doch nicht Driller musste weichen, sondern Cacau. Im Mittelfeld brachte Trainer Augenthaler Stehle an Stelle von Frey.
Von Anbeginn waren die Rollen klar verteilt. Bayern musste das Spiel machen, Nürnberg stand tief und konzentrierte sich vorwiegend auf eine stabile Defensive. Die Franken setzten die Vorgabe ihres Trainers zunächst um, zeigten Aggressivität in den Zweikämpfen und waren präsent. Die Münchner taten sich schwer gegen das engagierte Bollwerk.
Die Räume waren enorm eng, ein Spielfluss wollte nicht aufkommen. Nürnberg zeigte nur ganz spärlichen Vorwärtsdrang, die Bayern dagegen versäumten es, das Spiel auch in der kompletten Breite zu organisieren. Über rechts ging nur sehr wenig zusammen, meist lief das Spiel durch die Mitte oder über links.
Ob dies Taktik war? Jedenfalls passten die (eingelullten) Nürnberger auf ihrer linken Abwehrseite nicht auf: Scholl kam auf der rechten Seite völlig frei zum Flanken, Lizarazu stieg höher als Junior und köpfte aus kurzer Distanz ein. Kampa machte beim Herauslaufen keine gute Figur, rutschte zudem (18.).
In der Folge gestaltete der FCN die Partie etwas offener, traute sich auch mal in die Hälfte der Münchner, konnte aber nicht wirklich für Gefahr sorgen. Zu sicher stand die Defensive der Hitzfeld-Elf, zu durchsichtig waren die Aktionen der Franken.
Der FCB agierte mit angezogener Handbremse, tat oft nicht mehr als nötig, auch wenn der Vorsprung denkbar knapp war. Doch die Bayern vermittelten auch, jederzeit zulegen zu können, stellten das reifere, am Ball ruhigere Personal und hatten die überlegene Spielanlage. Dem Club war das Bemühen nicht abzusprechen, doch es fehlten die Mittel und vor allem nach vorne auch des Öfteren das letzte Prozent Courage.
Gegen Ende der ersten Hälfte plätscherte das Geschehen nur noch so dahin. Die Bayern bewegten sich mit weniger Engagement als in so manchem Trainingsspiel, Nürnberg offenbarte Abstimmungsprobleme im Spielaufbau, entwickelte keinen Druck. Bezeichnend, dass Kahn keinen einzigen Ball zu halten bekam.
Zu Beginn der zweiten Halbzeit war wieder mehr Schwung in der Begegnung. Der FCN traute sich nun ein wenig mehr zu, war nicht mehr ganz so ängstlich. Doch nachdem ansatzweise so etwas wie Chancen heraussprangen, zogen die Bayern das Tempo wieder ein wenig an und hätten nicht nur erhöhen können, sondern sogar müssen! Lizarazu setzt sich links durch, passt flach fast von der Grundlinie nach innen, Kampa ist ausgespielt, doch Pizarro probiert's freistehend aus drei Metern mit der Hacke und trifft nicht richtig (53.). Nur zwei Minuten später: Scholl-Ecke von links zu Elber, der Braslianer köpft vor Kampa aus vier Metern an die Latte (55.).
Was Elber hier noch versäumt hatte, holte er mit seinem zwölften Saisontreffer nur vier Minuten später nach: Scholl flankt von der linken Seite weit in den Strafraum. Elber kommt nach einem bösen Stellungsfehler von Petkovic an den Ball und nagelt diesen mit links aus zehn Metern ins lange Eck.
Die Nürnberger standen häufig zu weit weg vom Mann, so dass sich dem FCB immer wieder Anspielstationen boten. Genau das Gegenteil war auf der anderen Seite der Fall, wo sich alle Franken versteckten, statt sich anzubieten. Der Ballführende war häufig die sprichwörtlich "ärmste S . .".
Der deutsche Rekordmeister ließ es wieder ruhiger angehen. Die Balleroberung wurde dem FCB durch viele Abspielfehler der Nürnberger sehr leicht gemacht. Danach suchten die Münchner über wenige Stationen, teils mit Spaßfußball, den Erfolg. Dieser hätte sich beinah nach Standardsituationen eingestellt: Scholl schießt einen direkten Freistoß aus 19 Metern in die Torwartecke, Kampa pariert mit den Fäusten. Und noch eine Glanztat des Keepers, als er nach der folgenden Ecke einen Pizarro-Kopfball aus dem linken Eck faustet (74.).
Die Münchner spulten in der Schlussviertelstunde ihr Pensum locker herunter, der Club hatte nichts Entscheidendes mehr dagegenzusetzen. Es offenbarte sich über weite Strecken ein echter Klassenunterschied, obwohl der FCB bei weitem nicht sein ganzes Können ausspielte.
Der FC Bayern München marschiert weiter zielstrebig in Richtung Deutsche Meisterschaft. Ottmar Hitzfelds 100. Sieg mit den Münchnern war hochverdient. Im bayrischen Derby war der FCB dem Club in allen Belangen überlegen. Mehr als ein Bemühen war den überforderten und übervorsichtigen Franken nicht zuzusprechen. Der Sieg des Rekordmeisters hätte auch locker höher ausfallen können.
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