Angesichts des Fehlens mehrerer Stammspieler beim Club ging die Spielvereinigung als Favorit in dieses 218. Derby. Aber die einem Lokalkampf stets innewohnende Nervosität schien diesmal die Gastgeber mehr zu belasten. Sie kamen in keiner Phase zu der Form, die sie gegen 1860 München und gegen Homburg gezeigt hatten. Mag auch sein, daß sich jetzt allmählich die Kräftebeanspruchung aus der Aufholjagd in der zweiten Hälfte der letzten Saison und aus dem überraschend starken Start in der laufenden Spielzeit auswirkt. Daß der Club den Ronhof am Ende als Sieger verließ, hatte aber mehrere und tiefere Gründe:
1. Unsere Mannschaft ging (notgedrungen) mit ausgesprochenem Defensivkonzept in das Spiel und im Zusammenhang damit mit der Parole, im Mittelfeld das Spiel möglichst langsam zu machen. Der schwere und tiefe Boden im Dauerregen begünstigt aber erfahrungsgemäß die Abwehren gegenüber dem Angriff.
2. Manfred Müller hat seine kurze Schwächeperiode voll überwunden und gibt der Mannschaft wieder Sicherheit.
3. Trotz langer Verletzungspause organisierte Rüsing die Abwehr unserer Elf souverän und war damit der Hauptträger des Umstands, daß wir seit langem einmal wieder ohne Gegentreffer blieben. Seine Erfahrung, Ruhe und Übersicht sollten auch einer verjüngten Clubmannschaft erhalten bleiben.
4. Weyerichs Zusammenwirken mit Rüsing, seine Stärke im Zweikampf und seine Übersicht beim Übergang aus der Abwehr zum Aufbau von Gegenstößen machen ihn trotz Trainingsrückstands zum vollwertigen Mitglied der Mannschaft.
5. Stocker erwies sich vor allem auch im Kopfballspiel den Angreifern überlegen.
6. Die Wechselwirkung der Außenverteidiger Täuber und Pechtold war klug aufeinander abgestimmt.
7. Sturz und vor allem Lieberwirth wurden ihrer Rolle als Pendler und Spielmacher voll gerecht.
So vermochte der Gegner aus der optischen Überlegenheit kein Kapital zu schlagen.
Als das Spiel 10 Minuten vor dem Abpfiff noch 0:0 stand, schienen sich beide Mannschaften schon mit dem Remis abzufinden. Bis sich Weyerich ein Herz faßte und nach kurzem Antritt den Ball aus fast 30 Meter Entfernung abfeuerte. Es war kein Gewaltschuß. Entgegen der Berechnung Löwers senkte sich das Leder in Tornähe abwärts und schlug so gerade noch im Torkreuz ein. Der Ball sprang vom rechten Torpfosten ab ins linke untere Toreck. Möglicherweise erkannte Löwer als Haftschalenträger bei dem trüben Wetter die Tücke des Objekts auch zu spät. In die Resignation der Gastgeber hinein startete Majkowski einen langen Spurt mit dem Ball am Fuß und zirkelte ihn, von Löwer hart attackiert, geschickt gerade noch zu dem freistehenden Petrovic, der seelenruhig vollendete. Den Dani schien die Würde als Mannschaftskapitän in Schnelligkeit und Ausdauer zu befeuern. Ein paar längere Pässe hätte er vielleicht zur Abrundung in Marsch setzen sollen.
Es wurde lange über die Frage debattiert, ob der Sieg „glücklich" war. Da Tore entscheiden, sind solche Erörterungen müßig. Der Sieger ist immer glücklich.
Bei vollem Einsatz auf beiden Seiten wurde das Spiel in erfreulicher Fairneß bestritten. Ob es diesem Begriff noch gerecht wird, wenn der Gastgeber unter der Überschrift „In der Stunde 2,67 Mark Schulden" ausgerechnet im Spielprogramm dem Gast dessen unbestreitbare und brennende Finanzmisere vorrechnet, darüber haben sich die Verantwortlichen möglicherweise inzwischen Gedanken gemacht. Allzu leicht könnten da die vorgebrachten guten Wünsche als Schadenfreude gewertet werden. Und an die denkt im Ronhof doch keiner.
Dr. K. Brömse
Derby-Bilanz: 218 Spiele; 124 Clubsiege, 36 Unentschieden, 58 Niederlagen, Tore: 516:297.