Weniger überzeugend als erfolgreich verlief vor 15 000 Zuschauern der Saisonauftakt gegen Hessen Kassel. Schon die Torfolge deutet an, wie sehr die Anhänger an diesem Samstagnachmittag auf die Folter gespannt wurden. Wie so oft bei Heimspielen, und bei betont defensiv eingestellten Gegnern, gab es zwar eine ständige Überlegenheit unserer Mannschaft, doch konnten dabei viel zu wenig echte Torchancen und Einschußmöglichkeiten herausgespielt werden. Die massierte Deckung der Gäste, deren Sturmspitzen 90 Minuten lang auf eine Konterchance lauerten, verstand es meisterhaft, unsere meist in der Mitte vorgetragenen Angriffe abzuwehren. Das Flügelspiel wurde vernachlässigt und zudem wurden unsere Außenstürmer gut bewacht. Überraschende Schüsse aus den hinteren Reihen, die eine Wende hätten bringen können, waren Mangelware. Wenn es am Schluß des Spieles trotzdem 3:0 stand, so spricht das für die im Sturm neu formierte Clubelf. Sie erscheint gegenüber dem Vorjahr spielerisch und kämpferisch verbessert.
Nicht ganz so frisch und kampfstark wirkte diesmal Stegmayer auf Linksaußen. Von seinem Gegenspieler, dem früheren Offenbacher Verteidiger Resenberg, scharf gedeckt, versäumte er des öfteren auf andere Positionen auszuweichen. Sein zweimaliger Einsatz in der Deutschen Amateur-Nationalmannschaft in der gleichen Woche ging an ihm nicht spurlos vorüber. Wir sind aber überzeugt, daß er im Pokalspiel gegen Offenbach seine alte Gefährlichkeit und Schußstärke wieder geltend machen wird. Einen guten Einstand im ersten Punktespiel gab Drexler als Mittelstürmer. Er ist ohne Zweifel von der Technik und Schußkraft her gesehen ein Talent, braucht aber noch eine Anzahl Spiele in der 1. Mannschaft, um voll da zu sein. Von den beiden Halbstürmern war Kröner der bessere. Der von ihm getretene Elfmeter und sein Schuß zum 3:0 in der 89. Minute waren Klasse. Seine Tore aus weiter Distanz werden von der Fachpresse oft als Sonntagsschüsse bezeichnet. Wir aber meinen, daß sie gekonnt und kein Zufall sind. Riemann, der spielerisch alles mitbringt, ist eine Verstärkung für unsere Mannschaft. Er sollte nur noch härter werden und jede sich bietende Einschußmöglichkeit nützen. Michl auf Rechtsaußen ist mit seinem enormen Einsatz und Trickreichtum, manchmal schlägt er noch einen Haken zuviel, statt zu flanken, ein echter Gewinn für die Mannschaft. Er läßt Metzler schon jetzt fast vergessen. Die später ins Spiel gekommenen Nüssing und Müller spielten ihre Stärken voll aus, wobei Müller dem Spiel mit seinem Tor die endgültige Wende zu geben vermochte. Aus der auch an diesem Tag von Wenauer gut organisierten Hintermannschaft ragte Popp durch seine hervorragende Zerstörungsarbeit und durch konstruktives Aufbauspiel heraus. Er bekam zu Recht Sonderbeifall und deklassierte seinen Gegenspieler Martin so eindeutig, daß er in der 74. Minute herausgenommen wurde.
Mit Hessen Kassel stellte sich in Nürnberg eine Mannschaft vor, die gegenüber dem Vorjahr weiter an Spielstärke und Kampfkraft gewonnen hat. Hätten die Hessen nicht von Anfang an übervorsichtig operiert, sondern nach dem 0:1-Rückstand den Versuch unternommen, offensiver zu werden, wäre das Anschlußtor möglich gewesen. Die Mannschaft dürfte nach Schluß der Saison mit Sicherheit im oberen Tabellendrittel zu finden und zu Hause kaum zu schlagen sein.
Mit Herrn Meuser (Ingelheim) lernten wir einen Unparteiischen kennen, der das insgesamt faire Spiel sicher und korrekt leitete.
miho.