Die große Chance, durch einen Sieg über den KSC, sich die Karlsruher so weit vom Hals zu schaffen, daß die Bundesliga-Aufstiegsrunde so gut wie gesichert gewesen wäre, oder aber durch ein Unentschieden die Badenser auf Sicherheitsabstand zu halten, konnte der Club in diesem wichtigen Treffen nicht nutzen. Besser ausgedrückt: Er verstand es nicht die Chance zu nutzen. Die Gunst der Stunde, sie wurde vertan.
Das Spiel in Karlsruhe stand auf gutem Niveau. Beide Mannschaften wußten worum es ging und waren dementsprechend taktisch eingestellt. Der Club ließ, wie erwartet, den KSC „kommen", um dann schnell und zielstrebig kontern zu können. Er hatte auch für's Auge mehr Spiel- und Feldanteile. Chancen boten sich, der KSC schien bezwingbar. Müller und Renner beherrschten zeitweise das Mittelfeld. Sie setzten ihre Sturmspitzen Lehr, Nüssing und Metzler geschickt ein. Metzler war es auch, der Wimmer zweimal auf Herz und Nieren prüfte. Nur eine Glanztat des Ex-Offenbachers rettete den KSC in die Halbzeit.
Nach dem Wechsel machten die Badenser mehr Dampf. Für sie ging es um alles. Schließlich mußten sie gewinnen, um den Anschluß an das Spitzen-Duo wieder herzustellen,. Ihre Einsatzfreude steigerte sich weiter mit zunehmender Spieldauer.
In der 63. Minute sicherte Hauenstein den etwas glücklichen KSC-Sieg. Bei einer Flanke blieb Club-Hüter Welz auf der Linie „kleben", stand dann aber zu weit vorm Tor und Hauensteins Kopfball-Heber (anders kann man diesen Ball nicht bezeichnen) senkte sich zum Entsetzen aller Nürnberger in das rechte Tordreieck. Dieses Tor ging klar auf das Konto von Gerd Welz, der in den folgenden Minuten unter Dauerbeschuß stand, und nun mit glänzenden Paraden weitere Karlsruher Treffer verhinderte. Der Club schien jetzt etwas zu resignieren. Zu klar hatte er das Spiel beherrscht, zu viele Chancen zu einem klaren Erfolg vergeben, „Nandl" Wenauer schüttelte immer wieder den Kopf. „Ist so etwas denn überhaupt möglich?", mag er sich gedacht haben. Er schaltete sich jetzt wiederholt ins Angriffsspiel mit ein und gab das Signal zur Schlußoffensive. Fast wäre ihm noch ein Treffer geglückt.
Als Schiedsrichter Ott, ein umsichtiger und aufmerksamer Leiter, die Begegnung abpfiff, lagen sich die Karlsruher überglücklich in den Armen. Die Bundesliga-Aufstiegsrunde, schon in weite Ferne gerückt, war am Horizont wieder deutlich sichtbar aufgetaucht.
Die Club-Anhänger müssen nun weiter zittern, den wenig überzeugenden Heimspielen mit Bangen entgegensehen und auf günstige Ergebnisse in den Auswärtsspielen hoffen. Es sieht so aus, als sollte nun erst kurz vor Toresschluß feststehen, ob die Spieler um „Nandl" Wenauer bei der Probe zur Ouvertüre der Aufstiegsrunde dabei sind oder nicht.
Die Mannschaft hatte es in der Hand. Sie hätte 2:0, vielleicht sogar 3:0 in Karlsruhe gewinnen müssen, Chancen waren da. Aber ungenügende, um nicht zu sagen oft klägliche Stürmerleistungen verdarben wieder einmal den Brei. Die Misere wird deutlich beim Augenschein der Tabelle. Sieben Mannschaften, die hinter dem Club rangieren, trafen wesentlich öfter ins Schwarze als Nüssing & Co. Das sind alarmierende Zahlen. Sie zeigen besser und deutlicher als viele Worte die Kalamität, mit der die Verantwortlichen fertig werden müssen. Die Hintermannschaft, die oft geschmähte, kann dagegen einen einwandfreien Geschäftsbericht vorlegen, Sie ließ nur 19 Gegentore zu und führt damit bei weitem vor den anderen Titelanwärtern Offenbach und Karlsruhe. Jede Firma, die am Ende eines Geschäftsjahres eine solch positive Bilanz vorweisen würde, könnte eine happige Dividende zahlen. Hier, meine Herren Kritiker, liegt der Hase im Pfeffer. Gar nicht auszudenken, wo der Club in der Tabelle stehen würde, würde man die Torerfolge der Hinterreihe (Hansen, Wenauer, Leupold) vom Torekonto abziehen.
Dem Clubsturm fehlt ein eiskalter Vollstrecker. Ein Stürmer, der auch einmal das Herz hat, auf eigene Faust den Torerfolg zu suchen. Der Chronist kann sich an Clubstürmer erinnern, die das technische Rüstzeug hatten, zwei, drei Gegner zu umspielen und ihr Solo mit einem Torschuß abzuschließen. Soll das alles der Vergangenheit angehören? In Karlsruhe stand Dieter Nüssing zweimal allein vor Torhüter Wimmer. Ergebnis? Siehe Ergebnis!
Es wäre natürlich falsch, ausschließlich Dieter Nüssing für die Niederlage in Karlsruhe verantwortlich zu machen, auch die anderen Stürmer hatten ihre Chancen. Doch zu nervöses, überhastetes Spiel verdarb die besten Gelegenheiten. Daß auch eine gehörige Portion Pech den Erfolg verhinderte, soll nicht verschwiegen werden.
Ich bin Kritik im 1. FC Nürnberg gewöhnt. Ich setze mich gern einer weiteren mit meiner Prognose aus: Gelingt es nicht den Sturm durchschlagskräftiger zu machen, die richtigen Stürmer an der richtigen Stelle einzusetzen, dann wird die Mannschaft am Ende der Saison auf Platz vier, fünf oder sechs stehen.
Oder sollte gerade in Fürth ... ?
hrö.