Rund 62 000 Zuschauer erlebten im ausverkauften Nürnberger Stadion neunzig Minuten lang Fußball, wie er seit Jahren in der alten Noris nicht mehr geboten wurde. Der Club, dem das heimische Flutlicht bis dato nur selten gut bekam, vermochte mit einem Gegner zu konkurrieren, der ihm noch vor knapp fünf Monaten an gleicher Stelle eine Lektion in punkto Schnelligkeit und Spielwitz erteilt hat. Der Club behielt zwar auch damals mit l :0 die Oberhand, aber welch ein Unterschied zwischen der Begegnung von damals und der von heute! Der ehedem „altfränkisch" spielende 1. FCN verblüffte Freund und Feind. Der Club war am Abend des 13. 9. 67 den „modernen" Borussen aus Mönchengladbach zumindest ebenbürtig!
Beide Mannschaften boten Klassefußball im Eishockeytempo, beide Teams hätten gewinnen können, dennoch steht wohl außer Zweifel, daß der Sieg des Altmeisters verdient war. Der Club hatte mehr vom Spiel, besaß den längeren Atem und wies keinen schwachen Punkt auf. Nicht nur die Routiniers Wabra, Wenauer und L. Müller, sondern auch die über ihren eigenen Schatten springenden Popp und Ferschl sowie der gleichfalls verbesserte Leupold sorgten dafür, daß der gefürchtete Borussensturm leer ausging.
Das war genau genommen der halbe Sieg, denn wider Erwarten verfügten auch die Gäste über eine ausgezeichnete Abwehr. Von ihrer sogenannten „Achillesferse" war in Nürnberg nichts zu bemerken. Im Gegenteil, obwohl der Clubsturm schnell und einfallsreich operierte, obwohl Strehl, Brungs, Cebinac und Volkert alle Register ihres Könnens zogen, obwohl Ferschl und H. Müller immer wieder mit vorstießen, schienen Danner, Vogts und Co. unschlagbar zu sein.
Kurz, hüben wie drüben trafen gewitzte Angreifer auf kluge Abwehrspieler. Keine Partei wollte sich eine Blöße geben, dennoch wurde laufend gestürmt. Der Regisseur des Mönchengladbacher Angriffs hieß Günter Netzer. Er dirigierte großartig, obgleich Heinz Müller alles tat, um seine Kreise einzuengen. Aber Netzer völlig kaltzustellen, vermochte auch der Mann mit der Pferdelunge nicht.
Der 1. FCN startete furios, doch die Gäste ließen sich nicht überrumpeln. In der 10. Minute allerdings schien das l :0 fällig zu sein. Danner konnte einen Kopfball von Brungs gerade noch an den Pfosten lenken, aber der nachsetzende Heinz Müller drosch das Leder weit übers Ziel. Wenig später folgte der erste gefährliche Konterangriff der Borussen Wimmer wurde auf die Reise geschickt, der Mönchengladbacher Rechtsaußen ließ sogar Wabra aussteigen und schoß aus spitzem Winkel aufs Tor, aber Wenauer stand goldrichtig und konnte klären. In der 20. Minute übersah SR Fritz ein Handspiel von Vogts. Das Publikum reagierte wütend, denn Cebinac hätte freie Bahn gehabt. Dann schloß Volkert ein feines Solo mit einem Flachschuß ab, aber Danner flog rechtzeitig in die bedrohte Ecke. Auch Popp versuchte sich nach einem Alleingang als Schütze und hätte beinahe Erfolg gehabt. Kurz darauf kullerte ein scheinbar harmloser Roller des weit aufgerückten Pöggeler nur knapp am Clubtor vorbei. Das atemberaubende Tempo ließ nicht nach, der Club war zwar öfters im Ballbesitz, doch die Gegenstöße der Borussen hatten es in sich. Wenige Minuten vor Halbzeit mußte Wabra sein ganzes Können aufbieten, um ein Geschoß von Ackermann unschädlich zu machen.
Zur Überraschung der 62 000 gab es auch nach Seitenwechsel keinen Leerlauf und keine Verschnaufpausen. Erneut blies der Club zur Offensive. Ja, die Nürnberger waren sogar in der Lage, das tolle Tempo noch zu steigern. Strehl brachte das Borussentor in Gefahr, Volkert konnte nur noch in letzter Sekunde gebremst werden, Brungs prüfte Danner mit weiteren Kopfbällen und selbst Leupold kanonierte. Aber die kaum minder konditionsstarken Gäste machten sich wieder frei. Den Angriffen des Clubs folgten postwendend blitzschnelle Gegenstöße. Wann endlich und auf welcher Seite würde das vermutlich entscheidende Tor fallen? Zunächst kam Strehl um eine Zehntelsekunde zu spät, um ein Zuspiel von Brungs zum 1:0 verwerten zu können. Dann hielten alle Clubfrcunde den Atem an. Torjäger Meyer erwischte einen Steilpaß, umspielte Wenauer und eilte dem Clubtor entgegen. Der Führungstreffer der Borussen schien perfekt zu sein, doch Wabra holte im Hechtsprung die Kugel von Meyer's Fuß. Selbst der „Belauschte" gratulierte dem Clubtorhüter für diese Glanztat.
Die 70. Minute brach an. Cebinac flankte, Danner faustete das Leder vor Ferschl's Füße. Der linke Läufer des Clubs behielt die Nerven, täuschte einen Schuß an und jagte den Ball aus 14 Metern unhaltbar ins lange Eck. Das Stadion stand Kopf! Trotz Verbotes stiegen Raketen zum nächtlichen Himmel empor. Noch war der Jubel nicht abgeklungen, als Strehl nach Flanke von Cebinac um ein Haar das 2:0 erzielt hätte. Doch Danner hielt den Scharfschuß des Clubkapitäns.
Knapp 20 Minuten waren noch zu spielen und nun wurde offenbar, daß der 1. FCN über die größeren Kraftreserven verfügte. Die Gäste gaben sich zwar keineswegs geschlagen, aber der 1. FCN blieb tonangebend. Ein weiterer Clubtreffer lag eher im Bereich des Möglichen als der Ausgleich. Doch „trau, schau, wem!" Kurz, obwohl die Zeit wie im Flug verging, obwohl das Duell Club - Mönchengladbach alle Erwartungen übertraf, wurde der Schlußpfiff auch auf den Rängen herbeigesehnt. Denn erst als SR Fritz zum letzten Mal trillerte, war für den Club alles „okay".
A. W.