Gut zwei Drittel des Spiels gehörten dem Club, zweimal führten die Nürnberger, und dennoch mußte der Meisterschaftsanwärter seine zweite Heimniederlage in Kauf nehmen. Diese kleine Sensation - von einer großen kann aufgrund der jüngsten Erfolge der aufwärtsstrebenden „Knappen" wohl kaum gesprochen werden - deutete sich schon in den ersten Minuten an. Nicht die favorisierten Nürnberger, sondern die Nachfahren von Szepan und Kuzorra wandelten auf den Spuren großer „Fußballahnen". Bereits die ersten Spielzüge der Königsblauen riefen Beifall auf offener Szene hervor und ließen Erinnerungen an den Schalker Kreisel wach werden. Die Gäste lösten sich, sobald ein „Knappe" im Ballbesitz war, sofort vom Gegner, so daß der Ballführende mehr als nur eine Abspielmöglichkeit hatte, und deckten messerscharf, wenn die Nürnberger angriffen. Der Club vergaß über weite Strecken sowohl auf das eine als auch auf das andere. Er war an diesem Tag nicht imstand, rechtzeitig aus Fehlern zu lernen und kassierte deshalb nach zwei Schüssen vor dem Bug auch noch jenen Treffer, der die kleine Sensation perfekt machte.
Die gröbsten Schnitzer leistete sich die Clubabwehr, und just der bislang überragende „Nandl" Wenauer hatte einen rabenschwarzen Tag erwischt. Das fiel natürlich ins Gewicht, aber auch seine Neben- und Vorderleute waren den gewitzten und technisch versierten Schalkern nicht gewachsen. Kein Wunder, daß der „Libero" des Clubs so ins Schwimmen geriet, daß er letztlich als Letzter „von den Hunden gebissen" wurde.
Im Nürnberger Angriff vermochten lediglich Starek und Volkert zu überzeugen. Strehl kam nur in der ersten Viertelstunde zur Geltung, Cebinac taute viel zu spät auf, während Brungs mit Ausnahme der von ihm geleisteten Vorarbeit zum l :0 farblos blieb.
Die „Knappen" siegten verdient, obwohl der Club 15:5 Ecken erzielte. Fichtel, Wittkamp, Neuser und Elting ragten aus der durchweg gut beisetzten jungen Schalker Elf besonders hervor. Die Königsblauen lieferten bis zum 2:3 eine offene „Feldschlacht", so daß die 26 000 Zuschauer ein schnelles und abwechslungsreiches Treffen sahen. Sie wären sogar restlos zufrieden gewesen, wenn das Resultat umgekehrt gelautet hätte.
In den ersten zehn Minuten dominierten die Schalker. Dann wurde der Club feldüberlegen, und als Strehl in der 18. Minute eine Flanke von Brungs einköpfen konnte, schien alles nach Wunsch zu laufen. Doch es mußte anders kommen, denn die Nürnberger Abwehr deckte nur den Raum und zudem klaffte zwischen ihr und dem Sturm eine große Lücke. Die Schalker konnten immer wieder ihr Spielchen aufziehen, und in der 28. Minute folgte der erste erfolgreiche Konterschlag. Fichtel paßte zum freistehenden Pohlschmidt. Der schußgewaltige Halbstürmer ließ Wenauer aufsteigen und schon war der Ausgleich fällig. Doch zwei Minuten später brachte Starek nach Zuspiel von Ferschl den Club erneut in Führung. Nun lag das 3:1 mehrmals im Bereich des Möglichen, aber die Gäste fingen, sich wieder und die Unsicherheit in der Nürnberger Abwehr wuchs. In der 40. Minute wurde der Schalker Linksaußen Höbusch durch Erlhoff ersetzt. Etliche Clubfans witzelten über diese Maßnahme und sprachen von Trainer Brocker's Geheimwaffe. Sie erwiesen sich damit, wenn auch ungewollt, als keineswegs schlechte Propheten. Am 2:2 allerdings, das wenige Minuten vor Halbzeit nach einer großartigen Kurzpaßkombiniation durch Wittkamp fiel, hatte Erlhoff noch keinen Anteil. Dieser Treffer ging eher auf das Konto der wie gebannt auf den Schalker Kreisel starrenden Clubabwehr.
Nach der Pause wollte der Club mit Gewalt die Entscheidung erzwingen. Er hatte auch eine Reihe guter Chancen, doch Elting, Fichtel und Co. verteidigten ihr Gehäuse mit Glück und Geschick. Die wohl beste Gelegenheit erspielte sich Starek nach einem) glänzenden Solo, aber der Nürnberger Halblinke verzog den Ball. Auch Strehl, Volkert und Ferschl waren mehrmals dem 3:2 nahe.
Zu allem Unglück hatten die Nürnberger auch in der zweiten Halbzeit das Decken nicht gelernt und so kam, was manche vorausahnten: in der 82. Minute, unmittelbar nachdem die Clubstürmer einen Handelfmeter reklamierten, gab der bereits erwähnte Erlhoff einen weiten Paß zu Wittkamp und der quicklebendige Schalker Mittelstürmer brachte das Kunststück fertig, sich gegen Leupold, Wenauer und Wabra durchzusetzen und das Leder im Fallen mit dem Außenrist ins: lange Eck zu schlenzen. Das war die Entscheidung, denn nun machten die Gäste vollends dicht und die Zeit reichte für den sich nochmals steigernden Club nicht mehr, um wenigstens einen Punkt zu retten.
A. W.