Die favorisierten Platzherren begannen im 4-2-4-System, Olk war Ausputzer und Werner Sonderbewacher für Brungs. Dadurch wurde Beckenbauer für die Mittelfeldrolle frei und man hoffte, daß er mit dem 32jährigen Heiner Müller, der nach 1 1/2 Jahren als „Lückenbüßer" eingesetzt wurde, keine Schwierigkeiten haben würde. Diese Taktik der Münchner war ein Trugschluß, denn schon bald zeigte sich, daß Heiner Müller als alter Stratege es geschickt verstand, sich immer wieder freizustellen. Dadurch war er im Mittelfeld stets anspielbar und brachte Ruhe in das Sturmspiel. Der Nürnberger 3-Mann-Sturm (Wild spielte ebenfalls zurückgezogen) lieferte keine überzeugende Partie. In den ersten 30 Minuten spielten die Bayern souverän auf. Die Clubabwehr stand unter starkem Druck. Scharfe Geschosse von Rigotti, Beckenbauer, Müller, Nafziger und Brenninger verfehlten knapp ihr Ziel oder wurden sicher von Roland Wabra gehalten, Er machte keinen Fehler und beherrschte seinen Strafraum. Auch die gesamte Hintermannschaft hat kompromißlos durch ihre Manndeckung den Münchner Sturm nicht zur Entfaltung kommen lassen. Als dann völlig überraschend in der 35. Min. Greif auf Zuspiel von Brungs den ersten Schuß auf das Münchner Tor abgab und Nationaltorwart Sepp Maier überwand, blieb den 30 000 Zuschauern der Atem stehen, denn mit diesem Tor hatte wohl niemand gerechnet. Der Club hatte die einzige Torchance, die ihm geboten wurde, verwertet. In der 2. Halbzeit schickte Cajkovski Werner in den Angriff und Beckenbauer wurde wieder in die Stopperrolle „verbannt". Diese Maßnahme erwies sich jedoch als falsch, denn nun erledigten die Münchner souverän ihre Aufgabe in der Verhinderung von Toren, jedoch ließ man dem Club genügend Raum, um seine gemächlichen, aber präzisen Ballstafetten aufzubauen. Nach jeder Abwehr eines Bayern-Angriff es trug der Club beinahe ungestört den Ball in den Strafraum des Gegners. Seine Taktik lautete, möglichst lange den Ball in den eigenen Reihen halten, und sie führte zum Erfolg.
Dieser Sieg soll jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß im Sturm erhebliche Schwächen vorhanden sind.
Es soll nicht verkannt werden, daß der Club mit dem „vorletzten Aufgebot" antreten mußte, weil sieben verletzte Stammspieler nicht eingesetzt werden konnten. Das Glück stand diesmal auf Seiten des Clubs. Seine Abwehr verdient alle Anerkennung, seine Spielweise jedoch konnte die Zuschauer nicht begeistern.
In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, wie objektiv die Münchener Zuschauer trotz der schlechten Leistung der Bayern hinter ihrer Mannschaft standen und sie anfeuerten. Wenn das gleiche Spiel in Nürnberg gezeigt worden wäre, hätte es nur Pfiffe und ein unbeherrschtes Publikum gegeben. Es wäre an der Zeit, daß auch in Nürnberg die Zuschauer sich wieder Mann für Mann hinter die Clubelf stellen, um ihr Auftrieb und Selbstvertrauen zu geben.
Dr. Braun