Das Spielgeschehen am 22. Juni im Müngersdorfer Stadion in Köln nochmals in allen Einzelheiten vor dem geistigen Auge abrollen zu lassen, soll nicht der Zweck dieses Berichts sein. Es mag genügen, das Charakteristische jener entscheidenden Begegnung herauszustellen und es ist notwendig, eine vernünftige Einstellung dazu zu gewinnen.
Als unsere Mannschaft im rot-schwarzen Jersey in das mit fast 60 000 Menschen brechend gefüllte Stadion einlief, war sie erfüllt von dem Willen, die Wünsche des Vereins, die der 3000 Nürnberger Schlachtenbummler und der ungezählten Clubfreunde daheim zu erfüllen. Die taktischen Anweisungen waren nach den Erfahrungen des letztjährigen Endspiels und des Vorspiels in Nürnberg gegeben worden. Daß unsere Elf dann auf dem grünen Rasen „überrollt" wurde, steht auf einem anderen Blatt. Gettinger hatte als Linksaußen den undankbaren Posten des Sonderbewachers für Hans Schäfer zu übernehmen.
Bereits in den ersten Minuten stellte sich heraus, daß die Rechnung des Clubs nicht aufging. Ein Fußballwirbel sondergleichen setzte ein. Es wurde schon jetzt klar, daß selbst mit genauer Manndeckung - und diese ließ von Anfang an zu wünschen übrig - dem Gegner nicht beizukommen war. Das verwirrende Direktspiel der Kölner, bei denen höchstens die Außenstürmer den Ball länger als 3 Sekunden hielten, riß das Netz, das der Club vor den Strafraum zu spannen gedachte, immer und immer wieder auf. Die spielerischen Mittel der Kölner waren offensichtlich nicht mit dem in Nürnberg Gezeigten erschöpft. Der Ball wanderte zentimetergenau nach links, nach rechts oder kurz nach hinten, bis sich die Möglichkeit ergab, einen genauen Torschuß anzubringen. Schon in der 3. Minute erzielte Köln einen Treffer, doch er wurde wegen Abseits nicht anerkannt. Der ungeheure Druck, den Köln von der ersten Spielphase an ausgeübt hatte, ließ nun nicht mehr nach. In der 5. Minute schoß Mittelstürmer Müller nach einem Fehler seines Bewachers kurz entschlossen und unhaltbar das l :0. Zwei weitere gefährliche Angriffe in den nächsten Minuten konnten gemeistert werden, aber dann, 10 Minuten nach Spielbeginn, folgte ein wunderschönes Kopfballtor von Schäfer.
Ein weiterer Treffer des Kölner Kapitäns unmittelbar danach wurde vom Schiedsrichter nicht gegeben, weil ein Foul des Torschützen vorausgegangen war. Aber Köln ließ dem Club keine Sekunde Zeit zum Atemholen. Ein Angriff folgte dem anderen. Noch zeigte die Uhr nicht den Ablauf der ersten Viertelstunde, da hatte Thielen, bevor Wabra eingreifen konnte, das 3:0 hergestellt. Inzwischen waren zwar einige Gegenangriffe unserer Mannschaft bis zum gegnerischen Strafraum vorgetragen worden, aber die Kölner Abwehrspieler deckten messerscharf. Noch war die Hälfte der 1. Halbzeit nicht gelaufen, als Wabra einen Ball Ripkens vom Kopf nehmen konnte, der wie eine Rakete in einen scharfen Flachpaß von Schäfer hineingehechtet war.
Dann trat wieder, leider viel zu umständlich, der Nürnberger Sturm in Aktion, aber er vermochte kein Loch in des Gegners Deckung zu finden. Als Wenauer in der 40. Minute Müller im Strafraum auflaufen ließ, entschied SR Schulenburg auf Elfmeter. Müller setzte den Strafstoß unhaltbar zum 4:0 in die Maschen. Um das Maß voll zu machen, gelang Thielen in der 43. Minute das 5:0 durch einen Roller, den Wabra mit etwas Glück hätte halten können. Übrigens der einzige Fehler, der unserem Roland, wenn überhaupt, angekreidet werden könnte.
Daß damit die Partie längst gelaufen war, mußte jedem der 60000 bei Halbzeitpfiff klar sein. Ob die Kolner nach der Pause absichtlich oder wegen ihres bisherigen mörderischen Tempos zurücksteckten, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls konnte sich der Club wenigstens einigermaßen in Szene setzen. Auch die Umstellung Dachlauers auf Linksaußen und der Einsatz Gettingers auf Rechtsaußen hatten angesichts der Schnaufpause, die sich die Kölner gönnen mußten, ihr Gutes. Trotzdem war es nicht ein einziges Mal möglich, den in Siegestaumel befindlichen Zuschauermengen ein echtes und erfolgreiches Clubspiel vorzuführen. Die Manndeckung des 1. FC Köln wurde im Gegenteil fast noch unerbittlicher ausgeübt als in der 1. Halbzeit.
Es dauerte bei halbwegs ausgeglichenem Spielgeschehen immer noch 20 Minuten, bis unsere Elf durch Wild zum 1. Gegentreffer kam. Das Tor resultierte mehr oder weniger daraus, daß sich Freund und Feind nach einer hohen Flanke selbst behinderten und Ewert infolge des Gewühls die Übersicht genommen war. Immerhin ein schönes Tor durch den entschlossenen Einsatz unseres Halblinken. Köln versuchte nun wieder energischer zu stürmen, hatte es aber jetzt mit einer Abwehr zu tun, die sich ihren Gegner allmählich, wenn auch leider zu spät ausgerechnet hatte.
Köln war damit nicht einverstanden. Die Clubspieler wurden gefoult, vor allem tat sich Hornig dabei hervor. Das Spiel nahm an Härte zu und nach einem rasanten Angriff gelang es Thielen, in der 80. Minute das 6:1 herzustellen. 5 Minuten später konnte Wild auf 6:2 verkürzen.
Damit waren die Endspielhoffnungen des Clubs nicht nur zerstört, sondern auch eine Situation geschaffen, die manchen an der echten Erfolgskraft unserer Elf zweifeln läßt. Ich gehöre nicht dazu, sondern meine, daß unsere Mannschaft und ihr Trainer aus solchen Spielen lernen können und müssen. Nur wenn dies nicht geschieht, werden die Pessimisten recht behalten. Eines hat das Spiel schonungslos aufgezeigt, nämlich, daß man bei einem Gegner vom Format des 1. FC Köln mit dem Tempo mitgehen muß. Dies war auf weite Strecken nicht der Fall. Hatte der Club den Ball, dann schien es, als ob man bereits 3:0 führen würde, hatte der 1. FC Köln den Ball, dann wurde gespielt, als ob man einen Rückstand von 0:4 aufzuholen hätte. Gerade das Umgekehrte war aber Tatsache! Wollen wir hoffen, daß aus dem verlorenen Spiel die entsprechenden Lehren gezogen werden.
Dr. Braune
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Links: Gegen die Kölner Scharfschützen waren die Abwehraktionen des Clubs - wie hier Wenauers Spreizsprung gegen, Mittelstürmer Müllers Schuß - oft vergebens
Rechts: Weder Gettinger noch Wabra können verhindern, daß Schäfers Kopfball zum 2:0 für die Kölner ins Clubgehäuse fliegt
Schiedsrichter Schulenburg ermahnt Kölns Spielführer Schäfer, bei einem Freistoß, auf dessen Ausführung Leupold, Flachenecker und Hilpert (von links) schon warten, genügend Abstand zu halten