Man gerät bei einem Bericht für die eigene Club-Zeitung nur zu leicht in den Verdacht der Voreingenommenheit. Wer die laufende Berichterstattung in diesem Blatt verfolgt, weiß, daß wir keine Vereinsbrille vor den Augen tragen. Aber man ist nicht berechtigt, der Wahrheit Gewalt anzutun, nur um niemandem auf die Zehen zu treten.
„Was man sich wünschen kann" Fürths Trainer meinte nach dem Spiel, es habe alles geboten, was man sich wünschen könne. Gerade das aber ist falsch. Der Himmel möge es verhüten, daß wir noch öfter ein solches Berserkertum erleben, wie es das „Derby" brachte. Auch im Profifußball werden üblicherweise keine Kopfprämien bezahlt. Hans Cieslarczyk beteuerte, er habe seine Mannen gewiß nicht zum Kampf mit faulen Mitteln aufgefordert. Aber seine Mahnung, sich in den Zweikämpfen nicht die Butter vom Brot nehmen zu lassen, hatten doch wohl einige seiner Kämpen mißverstanden. Denn der Ausfall von Petrovic, Schwarzwälder und Hannakampf war keine Folge üblicher und zulässiger Härte mehr, sondern das Ergebnis eines gnadenlosen Fights, wie man ihn sich eben nicht wünschen kann. Bei einigen Sündern fällt es schwer, sich den Vorwurf zumindest grob fahrlässiger Gefährdung des Gegners zu verkneifen. Ausgerechnet der Mann, dessen große Aufbaurolle beim Fehlen Geinzers (wegen Bänderschadens) besonders in die Augen stach, der kluge Petrovic, wurde (durch einen Tritt Jensens) das erste Opfer. Daß der Schiedsrichter dabei den Helfern minutenlang den Zutritt zum Platz verwehrte und mit diktatorischer Geste den Fortgang des Spiels anordnete, ist ein Kapitel für sich. Im übrigen versuchte der Unparteiische nach (zu schwachen) Kräften, den Kampf über die Zeit zu bringen.
Geteilte Meinung
Kein um Objektivität bemühter Betrachter hat die Fouls mehrerer Clubspieler übersehen. Aber sie waren meist von (törichten) Revanchegefühlen getragen und für die eigene Elf gefährlicher als für den Gegner. Von dem Willen, auch eine Verletzung des Gegners in Kauf zu nehmen, waren sie erkennbar entfernt. Man kann da nicht Pfiff gegen Pfiff aufrechnen. Die Wirkung der bösen Taten (von einigen vorsichtigen Leuten als „Derbheiten" bezeichnet - oh, welche Feinheit der Gefühle! -) spricht ihre eigene Sprache.
Wenn nun schon von „töricht" die Rede war: der übersteigerte Einsatz einiger Gästespieler war es nicht minder. Wenn von zwei immerhin befreundeten Sportmannschaften die eine um den Aufstieg, die andere gegen den Abstieg ringt, schlägt man sich nicht die Knochen kaputt. Das kommt nur dritten Gegnern zugute. Jetzt hat die Spielvereinigung an der Sperre Lausens zu beißen, der Club an den Verletzungen wichtiger Spieler: Petrovic: Bänderdehnung im Knie; Schwarzwälder: Gehirnerschütterung nach einem Faustschlag Hilkes; Hannakampf: Knöchelprellung.
Nein, man konnte sich weißgott nicht alles wünschen, was da drin war!
Fürths Trainer erklärte nach dem Spiel, man könne über die Frage, wer die schlimmeren Fouls begangen habe, geteilter Meinung sein. Jawohl, man kann! Sehr sogar. Nicht zuletzt über die Bösartigkeit der Attacken. Wobei wir auch den Hauptschuldigen freilich die Abstiegssorgen mildernd anrechnen. Aber das bedeutet keinen Schuldausschluß.
Und damit sind wir beim „Prozeß". Fürths Spielausschußvorsitzender betrat den Presseraum mit den Worten, da schaue es aus wie beim Nürnberger Prozeß. Wieso? Fühlte sich einer als Angeklagter? Und wenn ja, warum? Ein Advokat würde im Prozeß vielleicht dahin plädieren, daß der Mangel an ausreichendem Rüstzeug zuweilen zum Einsatz geächteter Waffen führe. Wenn man mehr geben will als man hat, schlägt man gelegentlich über die Stränge. Aber das ist nur eine Erklärung, keine Entschuldigung.
So kann man nur hoffen, daß der Club die Folgen der Verletzungen seiner Spieler, Fürth den Ausfall Lausens ohne nachhaltigen Schaden übersteht.
Wir kennen zahlreiche Clubfreunde, die den Verbleib der Spielvereinigung in der 2. Bundesliga ehrlich wünschen. Der Berichterstatter gehört zu ihnen. Aber nach diesem Derby mußten sich einige offensichtlich gegen einen Sinneswandel wehren. Verlust an Popularität und Zuneigung ist nicht gerade ein Gewinn. Und der angestrebte Punkt ging gleichwohl flöten. Die Bitternis wirkt nach.
Das Drama
Es begann vielversprechend. Petrovic zirkelte schon in der 1.Minute das Leder dem unbewachten Meininger auf den Kopf, ein kräftiger Nicker, es stand l :0. Vielleicht war dies eine Wende: als Bergmann Majkowski im Strafraum legte, schoß Meininger, der nach seiner längeren Krankheitspause gar nicht als Elfmeterschütze vorgesehen war, den Strafstoß am linken Torpfosten vorbei. Ein Mißgeschick, das nun einmal stets Unruhe erzeugt. Nach einer Viertelstunde Spieldauer war das. Es schien freilich ausgestanden zu sein, als Walitza ein seitliches Zuspiel von Petrovic mit Kopfstoß zum 2:0 verwertete, der Mann also, dessen Wert für die Mannschaft inzwischen auch die fast professionellen Zweifler erkannt haben dürften. Aber ein Bogenschuß Lausens führte zum Anschlußtreffer. Schwarzwälder, wie gesagt am Kopf getroffen, stand benommen und mit Sehstörungen zu weit vor dem Tor. Knapp 10 Minuten später wurde Petrovic mit der Bahre vom Platz getragen. Ruhe und Ordnung im Clubgefüge gingen mit dem Ausfall des Regisseurs in die Brüche.
Nach der Pause erschien der 20jährige Amateur Bucher im Clubtor, also gerade in der ungewöhnlichen Hektik dieses Lokalkampfes in die Feuertaufe gestellt. Wer wollte es dem jungen Mann da ankreiden, daß er sich zu spät von der Torlinie löste, als der „zuständige" Abwehrspieler durch Abwesenheit glänzte und so dem gefährlichen Hofmann einen Kopfballtreffer aus nächster Nähe ermöglichte. Bucher machte das später durch eine prächtige Parade bei einem der nach Lausens Platzverweis spärlich gewordenen Fürther Angriffe gut. Popp war der Leittragende.
Der einzige Fehler Löwers ermöglichte schließlich doch noch den Clubsieg. Einen Kopfball des unermüdlichen Clubkapitäns Nüssing klatschte der Schlußmann nur ab, Sturz war zur Stelle und schob das Leder überlegt ein.
Bilanz
Der (längere Zeit gefährdete) Clubsieg ist schon deshalb gerecht, weil er bei normalem Verlauf, also ohne die Häufung folgenschwerer Verstöße kaum in Frage gestanden hätte. In diesen Zusammenhang gehört die Erklärung von Hans Tilkowski: „Wir geraten in Not, wenn Leistungsträger ausfallen. Sie lassen sich nicht vollwertig ersetzen". Ein verdienter Sieg zwar, aber teuer erkauft. Vom Schaden, der dem Volkssport Fußball zugefügt wurde, ganz zu schweigen.
Dr. K. Brömse