Darmstadt, die ehemalige hessische Residenz und Sitz der Großherzöge in Hessen und Darmstadt wird allen, die dabei waren, noch lange in unangenehmer Erinnerung bleiben und manchem Clubeingefleischten als Alptraum erscheinen. Dabei waren die Vorbedingungen ausgezeichnet: Herrliches Frühlingswetter, guter Rasen und eine erwartungsvolle, festlich gestimmte Kulisse von über 20.000 Zuschauern.
Einen torreichen Vorgeschmack erhielt das Publikum bereits in einem Prominenten-Vorspiel, als die Alten Herren der 98er eine bunte vom Hessischen Fernsehen zusammengewürfelte Elf mit den Fernsehmoderatoren Kuhlins und Obermann, mit den Profi-Boxern Schmidtke und Rud-hof, mit Trainer Erich Ribbeck von Eintracht Frankfurt und Ex-Nationalspieler Erwin Stein mit 8:2 abkanzelte.
Zu diesem Zeitpunkt dachte vermutlich noch keiner der zahlreichen Zuschauer selbst die größten Optimisten nicht , daß dieses torreiche Resultat sich im Hauptspiel fast wiederholen würde. An einem Erfolg der Darmstädter, die Aufstiegsrunde zu erreichen, hatte ja niemand mehr gezweifelt, aber einen gewissen Respekt hatte man doch vor den Nürnbergern.
Aber: erstens kommt es anders und zweitens als man denkt! Das Resultat spricht Bände! Zum Gelingen dieses für die Darmstädter berauschenden Finales trugen auf ihre Art auch die Nürnberger bei. Sie wollten nämlich keine Spielverderber sein, und spielten erfreulich offensiv. Das wären Worte aus Darmstädter Sicht gesehen; aber damit war den wiederum zahlreichen Clubanhängern nicht gedient. Enttäuscht und resignierend verließen sie kopfschüttelnd das Stadion am Böllenfalltor.
Dem Schreiber dieser Zeilen erging es ähnlich. Nach Worten der Entschuldigung zu suchen, ist hier fehl am Platze. Hoffen wir, daß das Vertrauen zu unserem „Club" nicht schadengenommen hat; aber ich glaube, wer jetzt noch zu ihm steht, wo er fast in Vergessenheit zu geraten scheint, der wird auch in Zukunft mit ihm durch dick und dünn gehen. Aus vielen Fehlern und herben Enttäuschungen kann man auch die Lehren ziehen: Alle hoffen zuversichtlich, daß die Verantwortlichen bei der Vorbereitung auf die neue Saison eine glückliche Hand haben, denn mit Gewalt läßt sich dieses Problem nicht zwingen; doch Probleme sind da, um gelöst zu werden.
Ich will mich mit dem Spielverlauf nur kurz befassen, da bei Erscheinen dieser Zeilen das Spiel schon eine Weile hinter uns liegt und sicherlich auch bald wie andere Sensationsergebnisse in Vergessenheit geraten sollte. Das hohe Resultat kam durch eine Mannschaftsleistung von sehen der Darmstädter zustande, die kaum noch zu überbieten ist. Da lief ein jeder für seinen Nebenmann mit, kämpfte bis zum Umfallen und last not least klappten im Spielrausch dann auch Kombinationen, die sonst nicht immer gelingen.
Die Mannschaft war zur Sekunde topfit und auch nervenstark. Ihr Erfolg war hochverdient, daran ist nichts zu deuteln und uns bleibt nichts anderes übrig, der Mannschaft für die Aufstiegsrunde alles Gute zu wünschen. Von unseren Spielern erreichte keiner seine Normalform. Interessieren würde aber doch, mit welch taktischem Rezept die Elf in dieses Spiel geschickt wurde? Der Trainer saß mit versteinertem Gesicht auf der Bank und schien mit seinen Gedanken bereits wo anders zu sein. Das ist die Version aus der Sicht eines Laien, der vom Tatort weit entfernt ist. Mit diesen Zeilen beschließe ich für die Saison 1972/73 meine Berichte über Spiele des Clubs, in meiner näheren und weiteren Umgebung.
Ich werde mich auch in Zukunft gern zur Verfügung stellen, wenn man es höheren Ortes wünscht. Schließlich habe ich trotz aller Enttäuschungen während meiner fast 25jährigen Mitgliedschaft die Clubfahne noch nicht eingerollt. Ich mache mich zum Sprecher aller auswärtigen Mitglieder mit den poetischen Worten aus Schillers „Spaziergang": . . .wandeln die nahen und wandeln vereint die fernen Geschlechter, und die Sonne Homers, siehe! sie lächelt auch uns.
Möge am Valznerweiher in Zukunft genau so oft die Sonne scheinen wie sie es im alten Zabo getan hat.
Hermann Weber, Neckarsteinach