Der Club hat in der Saison 1968/69 gewiß schon manch turbulente Begegnung mitgemacht, nur zu oft zerrten die Spiele der Rothemden an den Nerven ihrer Anhänger. Was sich aber im Bremer Weser-Stadion zutrug, ließ den nervenstärksten Seemann von der Bank rutschen. Ein Superkrimi würde im Vergleich zu diesem Treffen wie ein Bauernschwank des Tegernseer Volkstheaters wirken.
Es ging um viel in diesem Spiel. Der Verlierer hätte kaum noch Absichten auf den Erhalt der Bundesliga gehabt. Entsprechend war die Einstellung der Akteure. Kaum hatte SR Fritz aus Ludwigshafen das erste Mal die Bremer Salzluft durch seine Pfeife geblasen, da begann die Jagd von Steinmann & Co. auf Nürnbergs Fußballbeine. Piontek suchte, fand und traf Volkerts Untergestell in den ersten Minuten gleich mehrmals. Auf der anderen Seite war Cebinac der Hase von Höttges. Mit den Füßen voran flog der Bremer dem Jugoslawen entgegen, Daß nicht mehr als Hautabschürfungen passierte, ist ein Wunder und wohl in erster Linie den guten Bandagen zuzuschreiben, die Trainer Klötzer vor Spielbeginn noch einmal überprüfte.
Die herausragenden Akte des Kriminalstückes von Bremen sind bekannt: 1:0 für die Werderaner in der 6. Minute durch Rupp. Nürnbergs Hintermannschaft sah bei diesem Treffer nicht gut aus. Trainer Klötzer: „Dieses frühe Tor bricht uns das Genick." 1:1 (13.) durch einen raffinierten Freistoß von Hennes Küppers aus 25 Metern. Bernard hatte wohl mit einer Flanke gerechnet. Riesenfreude auf der Nürnberger Trainerbank, die jedoch nach 40 Sekunden wieder erlosch, als Höttges einen Freistoß zur Bremer 2:1-Führung verwandelte. Dann die spielentscheidende Szene: Volkert wurde vom Schiedsrichter Fritz verwarnt, als er Piontek, der ihn bei einer Spielpause bedrängte, von sich schob. Zwei Minuten später, in der 37. Minute, verhängte Fritz einen Freistoß gegen den Club, obwohl Piontek Volkert zwischen die Beine trat. Über die Fehlentscheidung erbost, warf Volkert den Ball etwa 10 Meter weit weg. Schiedsrichter Fritz beugte sich dem Publikumswillen und schickte den Club-Außen vorzeitig unter die Dusche. Nun schien alles aus. Doch Trainer Klötzer sagte in der Pause zu seinen Spielern: „Weitermachen, nicht aus der Ruhe bringen lassen. Wir haben noch 45 Minuten Zeit, um den Rückstand aufzuholen." Aber wenig später schien der Rückstand uneinholbar. Ludwig Müller traf in der 51. Minute das eigene Tor. Das konnte, das mußte das Ende der Fußballherrlichkeit des l. FCN sein. Doch weit gefehlt. Der „Luggi" machte seinen Fehler in der 63. Minute wieder gut. Elegant hatte er sich durchgespielt, wollte zum Schuß ansetzen, da wurde er von Steinmann und Björnmose gelegt. Elfmeter! Heinz Strehl behielt die Nerven und Bernard im Werder-Tor hatte das Nachsehen. Dann, 2 Minuten später, das Unglaubliche: Leupold hatte mit weitem Paß Küppers eingesetzt, ein Schrägschuß in die lange Ecke und 3:3. Resignation in den Bremer Reihen und Riesenfreude beim Club, der mit 10 Spielern dieses wichtige Unentschieden über die Zeit rettete.
Der Club hätte ohne die Hinausstellung von Volkert das Weser-Stadion wahrscheinlich als Sieger verlassen. Der Linksaußen war seinem Bewacher Piontek in allen Belangen überlegen und führte den Bremer, der mit seinen Fouls oft das Delikt der Körperverletzung erfüllte, regelrecht „vor". Leider hatte der „Schorsch" in einer entscheidenden Phase Nerven.
H. Röder