Am Dienstagabend gegen 8 Uhr kamen die Engländer mit einstündiger Verspätung von Dresden bei uns an. Sie hatten vier Siege in der Tasche und schienen etwas ermüdet, aber sonst guten Mutes. Mit südländischer Lebhaftigkeit schilderten ihre Direktoren den bisherigen Empfang in vier deutschen Städten; sie waren des Lobes voll und erklärten, die königliche Familie hätte keine bessere Aufnahme finden können. Sie lobten alles: Land und Leute, Hotels und Bedienung; die Herzlichkeit des Empfangs, das Aufziehen ihrer Nationalflagge, das anständige Spiel ihrer deutschen Gegner. Ueber den Schellenkönig lobten sie den Schiedsrichter Dr. Bauwens, Köln, den sie gern nach England importiert hätten. Auch mit dem Klima waren sie zufrieden; man muß immer bedenken, daß in der Grafschaft Lancashire die Sonne nur in den Herzen, aber nicht am Himmel scheint, so daß ihren Bewohnern Deutschland etwa so vorkommt, wie uns Italien.Nur wer in England monatelang gelebt hat, kennt den depremierenden Eindruck jenes gelben Nebels, der manchmal durch schwarzen Nebel und nur ganz selten durch die Sonne abgelöst wird. Die englische Delegation wurde von Walter Place geführt, einem der Direktoren, der selbst 20 Jahre für Burnley gespiel hat, und viele Schlachten in der guten alten Zeit als rechter Läufer und rechter Verteidiger gegen Spiksley und Townley zu bestehen hatte. Auch als Ringer und Besieger von Hackenschmidt und als Leichtathlet hat Walter Place einen großen Ruf besessen; das merkwürdigste an ihm aber ist, daß er, der selbst als Hotelbesitzer und Restaurareur von geistigen Getränken umgeben ist, nie in seinem Leben einen Tropfen Alkohol über die Lippen gebracht hat. Trotzdem ist er ein urfideler Gesellschafter und von jener alten Sorte, die man in der Romanen von Charles Dickens an den Kaminfeuern der Provinzgasthöfe zu finden pflegt. Zu 23 kamen sie, und alle stimmten darüber ein, daß sie sich im Grand Hotel in Nürnberg so wohl fühlten, als ob sie daheim wären, und daß es auch in London und Liverpool kein schöneres Hotel gäbe als das Schmuckkästlein der Herren Richert und Lotz. Der Mittwoch wurde mit Besichtigung der Stadt, der Burg, des Dutzendteiches und des Zabo hinbracht, abends traf man sich bei der glänzenden Kapelle des Königshofs und am Donnerstagfrüh meldete der Trainer, daß seine Mannschaft, wie aufgestellt spielen würde, daß heißt mit 6 regulären der Ersten und 5 Ersatzleuten. Von den übrigen Fünf waren drei verletzt; Hill und Page, die den Verein über 200 000 Mark gekostet haben, konnten leider nicht mit von der Partie sein, da sie die Football-Association zu einem Sieg gegen Frankreich brauchte.
Eine Stunde vor Beginn des Spiels mußten die Tore des Zabo geschlossen werden, da bereits 25000 Zuschauer den Himmelfahrtsnachmittag zum Besuch ihres Lieblingsplatzes ausersehen hatten. Der Club kam in semi-kompletter Aufstellung, mit Träg, aber ohne Strobel, und mit Winter statt Kugler. Schiedsrichter war Birlem von Berlin, der, um es vorauszuschicken, ganz ausgezeichnet amtierte. Blöde Fanatiker, die bei manchen seiner Entscheide ein Pfeiffkonzert veranstalteten, werden gut tun, ihre Elementarregeln in Zukunft zu studieren. Zum Beispiel ist nur dann "Hand", wenn ein Spieler den Ball mit der Hand absichtlich berührt; wenn er zufällig an der Hand und am Arm angeschossen wird, geht das Spiel automatisch weiter. Diese und ähnliche Dinge sollten sich die "Schlauen" einprägen, ehe sie ihre unmaßgeblichen Werturteile durch Musik abgeben.
Der Club hat gewonnen, 4:2 gewonnen, und sich damit nicht nur die Herzen der Nürnberger, die er schon besass, wieder einmal erobert, sondern auch ganz Deutschland einen schätzenswerten Dienst erwiesen. Die Elf, die er geschlagen hat, war nicht in voller Aufstellung, das stimmt. Allein, sie war die beste Mannschft, die der berühmte Burnley-Club an jenem Tag zu stellen vermochte, und sie spielte an jenem Tage so gut sie konnte. Auch beim Club fragt man nicht, wer oder wie oder was, wenn er einmal eine Niederlage bezieht; dann heißt es einfach, der Club ist geschlagen. Und so hat es gestern geheißen, Burnley ist geschlagen, jenes berühmte Burnley, das mit an der Spitze der Tabelle der englischen Liga marschiert und das trotz seiner Niederlage wunderbaren Fußball vorführte. Alle Betrachtungen über die Zusammensetzung der englischen Elf vermögen wohl die Niederlage erklärlich zu machen und zu entschuldigen; keine aber vermag den Sieg des Clubs zu verkleinern, der vielleicht die beste Leistung darstellte, die ein deutscher Verein jemals gegen englische Cracks erziehlt hat. Es war ein großer Triumph für den 1. FC. Nürnberg und für den deutschen Fußballsport überhaupt; in der letzten Viertelstunde wuchsen die Zaboleute über ihr eigenes Können heraus, so sehr, daß sogar der teilnahmslose und nicht leicht zu impressionierende Alfred Schaffer in Begeisterung geriet. Bei der Pause hatten die Engländer noch 1:0 geführt; dann glich der Club aus, dann errang er die Führung. Nicht zufrieden damit erzielte er ein drittes und viertes Tor, dem die Engländer nur noch eins entgegensetzen konnten, und dann pfiff Birlem ab, und die Flut der begeisterten Zuschauer überschwemmte den Platz, um den Helden des Tages in heller Freude auf die Schulter zu klopfen. Gelassen mit stoischer Resignation nahmen die Gäste ihre Niederlage hin und waren die ersten, die sich darüber freuten, daß der von Georges Richart gestiftete schöne Silberpokal in Nürnberg bleiben konnte, da der Club die beste Mannschaft gewesen sei. Gleich nach Beendigung des Kampfes begab sich Walter Place in den Auskleideraum der Nürnberger, um ihnen für das schöne Spiel zu danken und ihnen die Deitsche Meisterschaft zu wünschen. Nobler kann man einen unerwarteten Spielausgang nicht quittieren.
Ich sage unerwartet, denn weder die Zuschauer noch die Spieler hatten mit einem Sieg des Clubs gerechnet. Es gab wohl keinen, der nicht auf Burnley gesetzt hatte; auch die Burnley-Spieler waren von einem knappen Sieg ihrer Elf überzeugt, obwohl sie wußten, daß alles, was sie bisher in Deutschland erlebt hatten, nur Kinderspiel gegen das letzte Treffen gewesen war, und sich vom ersten Augenblick an mächtig ins Zeug legten. Man kann sagen, daß Burnley vor der Pause überlegen war und der Club am Schluß der zweiten Hälfte allein spielte. Diese Überlegenheit in den letzten Phasen des Spiels gewann den Cluberern Pokal und Ruhm; sie hielten besser durch, und als sie gleichgezogen hatten und merkten, daß die Engländer nicht besser sondern schlechter wurden, da wurden sie von einem beispiellosen Elan beseelt, und kämpften um jeden Zoll Boden, wie die (Bayrischen) Löwen. Nach einer so guten Leistung sollte man eigentlich kein individuelles Lob spenden und nur schreiben, daß die ganze Mannschaft sich selbst übertraf, was auch tatsächlich stimmt. Aber Stuhlfauth und Kalb verdienen dennoch als Beste der Guten hervorgehoben zu werden. Im Sturm zeigten die beiden Füchse (womit nicht die Schläue, sondern die Anciennität hervorgehoben werden soll), Seppl Schmitt und Reinmann glänzendes Können. Auch der Bumbas, der den besten Stürmer von Burnley gegen sich hatte, und Popp, hatten einen Glanztag. Doch ich merke soeben, daß ich 6 Leute genannt habe, die alle das Prädikat "sehr gut" verdienen und will mich daher mit diesem halben Dutzend begnügen und die Aote auf ausgezeichnet erhöhen, um den anderen fünf ein "sehr gut" in die Annalen des Clubs hineinschreiben zu können.
Burnley möchte ich vom englischen Standpunkt aus kritisieren. Der Torwächter Sommerville ist ohne Zweifel gute Klasse, hatte aber gestern keinen guten Tag und wurde von Stuhlfauth vollkommen überschattet. Die beiden Verteidiger, beide Internationale, waren hervorragend. Reinmann muß bei seinem Gegner sehr viel gelernt haben und kann vielleicht schon am Sonntag von den Folgen der Lektion profitieren. Bemerkenswert war die überaus sanfte und freundliche Art, mit welcher die beiden englischen Backs ihre Aufgabe lösten; für englische Ligaverhältnisse nahezu körperlos. Kein deutscher Verein hat ein solches Paar aufzuweisen. Der englische Mittelläufer war überaus mäßig und reichte in keiner Phase des Spiels an Kalb heran. Von den beiden Außenhalves gefiel mir der rechte am besten. Der Sturm zeigte glänzende Ballbehandlung, große Finesse und Präzision, und alls, was so drum und dran hängt. Eines konnte er nicht: schießen. Mit Ausnahme des Rechtsaußen und des Linksaußen, der in der zweiten Hälfte nach Innen ging, muß die Leistung der Stürmer nach englischen Maßstab gemessen, ebenfalls als mäßig bezeichnet werden. Da war das Quintett der englischen Nationalmannschaft, das in Brüssel so haushoch gewann, doch um zwei Klassen überlegen. Niemand weiß so gut, wie die Clubmannschaft selbst, daß Burnley technisch unseren Spielern immer noch weit überlegen ist; wie wäre es auch anders möglich, da die englischen Profis ja keinen Beruf nachzugehen haben, als dem, sich in der edlen Ballkunst zu vervollkommnen? Wenn die Engländer gestern geschlagen wurden, so lag das zum Teil an der Unvollständigkeit ihrer Elf, zum Teil aber auch an dem zähen Willen und dem Geist der Clubmannschaft, diesen beiden Qualitäten, welche die Zaboelf während so vieler Jahre stets begleitet haben.
Zehn Minuten vor Beginn bewegt sich ein langsamer Zug, Direktoren, Offizielle und Spieler von Burnley paarweise marschierend mit einer wundervollen Blumenspende zum Denkmal der Gefallenen des Clubs. Gesenkten Hauptes stehen sie vor dem Sinnbild der Treue und Vaterlandsliebe, und alles im Kreise erhebt sich, als erster Kartini.
Am Abend vereinigte eine Einladung des Clubvorstandes etwa 60 Personen im Richard-Wagner-Saal des Grand-Hotels. Dort herrschte eine so große Fröhlichkeit, daß man sich wieder über die vornehme Art freuen mußte, mit der die englischen Berufsspieler ihre Schlappe akzeptiert hatten. Außer den Engländern sah man die Mitglieder des engeren Vorstands des 1. FC. und die Spieler mit ihren Damen; Herrn und Frau Kartini, den Schiedsrichter Birlem, Rosenberger vom Bundesschiedsrichterausschuß, Merk von der ASS, und den Schreiber dieser Zeilen. Mitten hinein wurde getanzt; dann kamen wieder Trinksprüche, und über der ganzen Versammlung wehte der Geist der guten alten Zeit und der Frohsinn einer im großen und ganzen entschwundenen Periode. Es war ein großer Tag für den Club; besonders freut es mich im Hinblick auf die kommenden schweren Spiele, daß niemand verletz wurde. Es war sportlich vom Club, das große Risiko auf sich zu nehmen; allein jedes Risiko findet auch seine Belohnung. Gestern gab es deren zwei; einmal eine Rieseneinnahme, und zweitens, was die Hauptsache ist, Heil und Sieg.
Walther Bensemann
Unser Münchner Berichterstatter
Das letzte Spiel der Burnley-Expedition in Nürnberg vermittelte eine kaum zu überbietende Vielzeit markantester Eindrücke. Sie alle aufzuzählen ist schlechterdings unmöglich, denn sonst müßte der Kicker eine Sondernummer herausgeben. Aber ich will es einmal versuchen, wenigstens das zu beleuchten, was am meisten fesselte: das Spiel selbst!
Ein ziemlich starkes Mailüfterl, das ruhig einige Wärmegrade mehr hätte haben dürfen, empfing die Tausend, welche wohl zum größten Teil erwarteten, die Englänger spielen und den Club - wenn auch knapp - als zweiten Sieger zu sehen. Es gab auch welche, die hofften, der Club möchte gewinnen, sie wagten aber im allgemeinen nicht recht laut zu werden, sondern hofften, hofften!
Unter starken Beifall, voraus die Prominenten, betraten die Gäste gemessenen Schrittes immer paarweise hintereinander den Platz, bewegten sich zum Ehrenmal und legten dort einen Blumenstrauß nieder. Als dann die Mannen des Clubs in schwarzer Hose und weißem Hemd in die Kampfbahn sprangen, ging es schon etwas lebhafter zu. Nach einer kurzen Begrüßung erhieten die Gäste Blumen, dann der Sportruf und die Geschicht begann.
Burnley, mit dem Wind im Rücken, ließ von Anfang an keinen Zweifel aufkommen, daß es auf Sieg spielte. Für den Club sah es denn aich in der ersten Hälfte gar nicht sehr rosig aus. Stuhlfauth hatte zeitweise Akkordarbeit zu leisten, aber der Sebalduswirt und seine Vorderleute machten ihrem Rufe alle Ehre. Nürnbergs Läufer waren überlastet mit der Abwehr, zum Aufbau kam es nur selten. Die wenigen Clubangriffe zerschellten an der bombenfesten Verteidigung der Gäste. In dieser ersten Halbzeit waren die Engländer wirkliche Lehrer. Nicht alle, aber einige in geradezu verblüffender Weise. Mit welcher Vollendung die Leute ihren Körper beherrschten, war wirklich sehenswert. Da merkte man keine krampfhafte Anstrengung. Alles sah so leicht und selbstverständlich aus, daß man sich nur wundern mochte, warum es die Nürnberger nicht nachmachten. Diese waren schon durch den starken Gegenwind merklich im Nachteil, dazu kam eine sichtliche Nervösität, was Wunder, daß die Meistermaschine stark holperte. Es wollte nicht klappen, so sehr sich jeder Einzelne auch Mühe gab. Nur zwei Leute hatten die Ruhe weg: Stuhlfauth und Schmidt Bumbas. Der lange Heiner war in großer Form, er beherrschte nahezu den ganzen Strafraum allein. Diese Leistung macht ihm in ganz Deutschland wohl keiner nach. Schmidt I hatte schon nach kurzer Zeit den gefährlichen rechten Flügel der Gäste erkannt und nun führte er ein Zerstörungsspiel vor, das sich wohltuend von dem nervösen Hasten seiner Mitspieler abhob. Köpplinger als rechter Läufer mußte sich anfangs vom gegnerischen linken Flügel oft narren lassen, wuchs aber immer mehr in seine Aufgabe hinein. Kalb dirigierte mit laufer Stimme, wobei er seine Freunde nicht immer höflich ansprach. Die Aufregung der Nürnberger Elf ergriff schließlich auch das Publikum und als der Schiesrichter einige angeschossene bzw. nicht absichtliche "Hände" unbestraft ließ, ertönte der Chor der Pfeifer. Es war ganz gut so, denn man merkte dabei, daß die Mehrheit der Anwesenden gut diszipliniert war und nur der kleinere Teil sich bemüßigt fühlte, seine mangelnden Regelkenntnisse zusammen mit ungenügender Kinderstube öffentlich zu beweisen. Auch das harte, aber durchaus erlaubte Rempeln schien vielen nicht zu behagen. Und solche Leute nahmen es dann einen Schiedsrichter übel, wenn er wirklich einmal etwas übersieht!
Bei dem fast dauernden Berennen des Nürnberger Tores mußte es normalerweise nur eine Frage der Zeit sein, bis die Engländer zu Erfolgen kamen. Diese Meinung schienen die Clubleute allerdings nicht zu haben, denn Popp und Winter legten dazwischen wie die Teufel, und es gelang ihnen auch unter gütiger Mitwirkung von Stuhlfauth stets, das Schlimmste abzuwenden. Allmählich erinnerten sich die Hausherrn, daß man auch dagegenrempeln kann, wenn man angegangen wird. Dabei mußte der Burnley-Halblinke Devine erfahren, daß Kalb eunen echten deutschen Dickkopf besitzt, dem ein Schottenschädel nicht gewachsen ist. Man wartete gespannt auf das erste Tor, das nicht fallen wollte. Der Clubsturm hatte nur im Rechtsaußen Reinmann und im Sturmführer Schmitt II unentwegte Draufgänger. Auch Träg versuchte es manchmal, sich dieses Prädikat zu verdienen, es blieb aber beim Versuch. Schon war die normale Spielhälfte vorüber und noch kein Tor! Wegen kurzer Unterbrechungen muß nachgespielt werden. Plötzlich hat der Linksaußen Burnleys den Ball, überspielt was sich ihm entgegensetzt und knapp vom 11-Meter-Punkt saust eine flache Bombe ins Nürnberger Netz. Stuhlfauth berührt wohl das Objekt, vermag es aber nicht zu bannen. Burnley führt 1:0! Pause.
Man kann es sich kaum ausmalen, wie sehr die Erregung gestiegen war, als die Sache wieder los ging. Nun hatten die Zaboleute den Wind im Rücken, was den Engländern aber nichts auszumachen schien, denn es begann, wo es aufgehört hatte - Stuhlfauth - Stuhlfauth. Doch auch eine Wendung trat ein. Erst seltener, dann immer öfter kam der Nürnberger Sturm in die Nähe des gegnerischen Tores. Das technisch überlegene Können der Engländer glichen die Einheimischen durch unbeugsamen Willen aus. Dieser allein hätte zwar nicht genügt, um Burnley zu schlagen, aber schließlich, aber schließlich merkten die Nürnberger, daß es gehen könnte, gewannen zusehends ihr Selbstvertrauen und damit größere Ruhe und nun sah man auf einmal, daß die Leute um Kalb doch auch Fußball spielen können. Stuhlfauths Schnaufpausen wurden immer länger, wogegen sein Gegenüber Sommerville in steigendem Maße beschäftigt wird. Genau eine halbe Stunde dauert dieses langsame Sichfinden des Clubs, dann kam der Erfolg. Einen Fehler der Burnley-Verteidigung - den einzigen, der ihr unterlief - nützte Wieder überlegt zum Ausgleich.
Von diesem Moment an war die Clubelf kaum wieder zu erkennen. Diese letzte Viertelstunde führte der mehrfache Deutsche Meister ein Spiel vor, dem wohl überhaupt keine Mannschaft standgehalten hätte. Die Engländer mußten kapitulieren, Vergeblich suchten sie den Gegner zurück zu drängen, immer wieder stürmte dieser vor, unaufhaltsam wie eine Brandung. Ein Schuß Wieders knallte an den Pfosten - Hochgesang nimmt auf, stolpert, reißt sich zusammen, und Burnley ist geschlagen.Was jetzt kam ist schwer zu schildern - 25000 Zuschauer brechen in einem ungeheueren Jubel aus, die Spannung war gelöst, Deutschlands berühmteste Elf triumphierte, zeigte sich würdig eines Meisters. Jetzt nicht auslassen - fort, - vorwärts - - Schmitt II verschießt einige Meter vor dem Tor! Der zündende Funke hat den Kontakt zwischen Spielern und Zuschauern geschaffen. Durch Zurufe außerhalb der Barrieren angefeuert, sind die Nürnberger nicht mehr zu halten. Kalb ist furchtbar aufgeregt, einen Strafstoß von der 16-Meter-Grenze schießt er weit neben das Tor. Träg steht allein gedankenverloren auf weiter Flur abseits. - Gleich macht er es wieder gut, arbeitet für drei, jagt den Ball zur Mitte, wo Hochgesang aufnimmt und sicher eine Bombe unter die Latte setzt, 3:1! Ein Freudentaumel erfaßt die Massen, die Spieler umarmen sich, Hüte fliegen in die Luft, wie ein Sturm braust es über den Platz und als gar Schmitt II eine Flanke mit direktem Schuß zum vierten und schönsten Tor des Tages verwandelt, geraten die Zuschauer überhaupt aus dem Häuschen, und ich glaube gern; daß so etwas bisher die alte Noris noch nie erlebt hatte. - Vielleicht waren einige Tanzmeister da, sie hätten prächtige Studien machen können. In dem allgemeinen Geheul ging es fast unter, das die Engländer kurz vor Schluß durch eine prächtige Einzelleistung noch einen zweiten Treffer herausholten, der die Niederlage etwas sanfter gestaltete.
Der Schlußpfiff war der Auftakt zu neuerlichen Ovationen für den Sieger, dem der Vorsitzende Dr. Schregle einen Pokal überreichte. An Platzdisziplin war nicht mehr zu denken, die Menge überflutete das Spielfeld und immer wieder brach der ungeheuere Jubel durch, der die wohlverdiente Anerkennung für die prachtvolle Leistung der Clubelf war.
Nach einem solchen Spiel fällt es wirklich schwer, Einzelleistungen zu kritisieren, denn nicht Einer war es, der den Sieg erkämpfte, sondern der eiserne Wille von elf Spielern. Hierin waren sie alle über jedes Lob erhaben. Trotzdem haften der Mannschaft noch einige Schwächen an, welche man leicht beheben könnte, wie z.B. das übermäßig laute Reden von Kalb. So sehr sich Träg auch Mühe gab, er konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß seine Zeit um ist. Dies rechtzeitig zu erkennen und einem Jüngeren Platz zu machen, ist keine Schande. Einmal muß es ja doch sein. Wenn man dagegen Schmitt II und besonders Reinmann beobachtete, konnte man an den beiden Jüngsten der Mannschaft seine helle Freude haben. Hochgesang und Wieder möchte man etwas von dem Temperament dieser Beiden wünschen. Von den Außenläufern war Schmidt I in der ersten Hälfte. Köpplinger nach der Pause der Bessere. Kalbs größte Leistung bestand in dem langsamen Aufbau nach der Pause. Was der Mann in dieser halben Stunde vollbrachte, war allein die Ursache, daß es in der letzten Viertelstunde dann restlos klappte - hier war Kalb allerdings dann fast fertig. In der Verteidigung war Popp immer, Winter nach anfänglicher Nervosität, allem gewachsen. Stuhlfauth war Stuhlfauth, nennen sie mir einen besseren Torhüter - wir haben derzeit keinen!
Bei den Engländern ist zu berücksichtigen, daß sie fünf Ersatzleute einstellen mußten, was sich naturgemäß bemerkbar machte. Aber das ist ganz gleich, gegen deutsche Extraklasse muß man eben vollständig antreten, will man in Ehren bestehen. Als die besten Leute der Burnley-Mannschaft möchte ich die Verteidigung sowie die rechte Sturmseite bezeichnen. Auch der Halblinke war gut. Dagegen hatte ich von der Läuferreihe entschieden mehr erwartet. Die Leute sind zwar technisch alle fein durchgebildet und können bestimmt etwas, doch Glanzpunkte der Mannschaft waren sie nicht. Der Tormann hätte vielleicht den ersten Treffer der Nürnberger ablenken können, wenn er aktiver wäre, gegen die anderen Tore war nichts zu machen.
Der schiedsrichter Birlem (berlin) verstand es vortrefflich, die große Linie zu wahren, die nötig ist, um ein solches Spiel zu einem wirklichen Genuß zu machen. Seine Entscheidungen waren die eines alten Spielers, der genau das traf, was die sinngemäße Auslegung der Regeln verlangt. Deshalb waren die Oppositionskundgebungen gegen seine Entscheidungen vor und in der Pause absolut unangebracht. Ich glaube, daß alle Vereine herzlichst froh sein dürften, wenn sie nur Schiedsrichter solchen Formats als Leiter ihrer Spiele bekommen würden.
So rundete sich das Ganze zu absoluter Spitzenleistung, die allen unvergesslich bleiben wird, welche am 26. Mai im Zabo waren.
Kraus
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