Endrunde Halbfinale 1926 / 27 So., 29.05.1927

Endrunde

1. FC Nürnberg - TSV 1860 München

4:1 (2:0)

1. FC NÜRNBERG:

Stuhlfauth, Kalb, Schmidt I, Köpplinger, Popp, Winter, Schmitt II, Wieder, Hochgesang, Reinmann, Träg

Trainer: Spiksley

Karten: ---

Tore: 1:0 Hochgesang (4.), 2:0, 3:0 Schmitt II (31., 63.), 4:1 Träg (83.)

TSV 1860 MÜNCHEN:

Kob, Harlander, Kammerloher, Pledl, Kling, Wendl, Hornauer, Faubel, Gabler, Piehler, Stieglbauer

Trainer: Breunig

Karten: ---

Tore: 3:1 Faubel (78.)

-

Schiedsrichter: Grannk

Zuschauer: 25000

Besondere Vorkommnisse: Keine

Spielbericht aus dem KICKER (Nr. 22 vom 31.05.1927)

1. FC Nürnberg - TSV 1860 München 4:1

Der erwartete große Kampf ist nicht ausgeblieben. Dieses Spiel reihte sich, besonders was die Leistungen beider Mannschaften in der ersten Hälfte anbetrifft, würdig an jenes prachtvoll fußballsportliche Geschehen vom Donnerstag an. Was dem heutigen Spiele noch ein besonderes Gepräge gab, das war die überraschend gute Form, in der sich der Sturm des Klubs befand. Dieses Innentrio, mit drei in allen Punkten der Technik und Taktik erfahrenen Spielern kombinierte, dribbelte, schoß, kurz gesagt, spielte, daß die nahezu 25000 Zuschauer oft begeistert Beifall klatschen mußten. Man war überrascht, diese Tatsache konstantieren zu müssen, da vor noch nicht acht Tagen norddeutsche Blätter dem jungen Mittelstürmer Schmitt nur die Talente eines Durchschnittsspielers zusprachen. Mir deucht, daß man in Hamburg noch nicht den richtigen Sinn und das richtige Auge zur Wertschätzung der Filigranarbeit dieses Stürmers hat. Es ist selbstverständlich, daß die Sologänge des langen Harder mit seinen großen Schritten mehr ins Auge springen. Darüber darf man aber doch nicht vergessen, daß es auch eine ganz andere Art, Sturmführer zu spielen, gibt und geben muß. Und der junge Schmitt führt seinen Sturm. Er hält Kontakt zwischen der rechten und der linken Sturmseite, er gibt Vorlagen und spielt auch im Strafraum seine Kameraden in uneigennütziger Weise frei. Wieder und Hochgesang waren heute viel lebendiger, viel frischer und auch viel spielfreudiger als jemals in der letzten Zeit. Ihre ganze Arbeit war ein einziger Genuß. Der Rechtsaußen Reinmann bildete einen würdigen Abschluß dieses Angriffs nach der rechten Seite. Auf der anderen Seite stürmte Heiner Träg. Er kommt, das muß man bei aller Anerkennung für das in seiner Art Unerreichte, was Heinrich Träg bis heute für den 1. FC. N. geleistet hat, bei seinem Temperament der Jungen nicht mehr richtig mit. Er strengte sich gewaltig an und zwei Tore fielen auf sein Konto.

Wie der Sturm, so arbeitete auch die Hintermannschaft, mit einer einzigen Ausnahme, ohne Fehl und Tadel. Kalb ist augenblicklich auf dem Zenith seines Könnens. Er ist der Mittelläufer Deutschlands. Seine beiden Nebenleute, Schmidt und Köpplinger, wandeln aber keineswegs im Schatten dieses Großen, sondern sie stehen ihm nur in dem letzten Schliff, in der letzten Präzision um Bruchteile nach. Popp ist heute nicht mehr zu umgehen, und seine weiten, berechneten Schläge stempeln ihn wohl zum erstklassigen Verteidiger. Winter, der linke Back, ist der schwächste Punkt der Elf. Er profitiert am allermeisten von der großen Klasse seines Nebenmannes. Ueber Heinrich Stuhlfauth ist nichts zu sagen. Das eine Tor wäre vielleicht zu verhüten gewesen, dafür hat aber der Meister eine hübsche Anzahl sogenannte "Totsichere" unschädlich gemacht.

Ein Kompliment der Mannschaft der 60er und ihrem Lehrer Max Breunig! Diese Elf hat, seit dem ich sie das letzte Mal sah, bedeutend an Können und Form gewonnen. Die Ballbehandlung jedes einzelnen Spielers war einbandfrei, da Stellungsspiel und in Stellungslaufen legte deutliches Zeugnis von der fruchtbringenden Tätigkeit Max Breunig ab. Der Mannschaft fehlt aber noch die Routine und die Erfahrung, um große Schlachten siegreich zu beenden. Die Kombination des Sturmes geht noch zu sehr in die Breite, im Strafraum hatte keiner den Mut, selbst zu schießen, und dieses dauernde Hin- und Herschieben des Balles wirkte dann mit der Zeit monoton. Damit sei aber nicht gesagt, daß die 60er nie gefährlich wurden. Der junge Hornauer und der alte Faubel, die beiden Innenstürmer, setzten sowohl durch ihre Schüsse, wie auch durch ihren Eifer und ihr Temprament der Nürnberger Hintermannschaft oft und ordentlich zu. Ihnen fehlte aber die richtige Direktion durch den Mittelstürmer. Piehler war für diesen Posten viel zu weich und spielte viel zu schablonenhaft. Bei all seiner Technik und Schnelligkeit ermangelt ihm der Ideenreichtum, der z. B. dem jungen Schmitt in hohen Maß zu eigen ist. Von den beiden Außenstürmern war Stieglbauer der Bessere. In der Läuferreihe stehen neben dem vorzüglichen Pledl zwei Durchschnittsspieler, Kling und Wendl, die zwar brav arbeiteten, in der ersten Hälfte sogar sehr brav, nach der Pause aber zusehends abfielen. Pledl leistete im Verein mit Harlander und Kob die Hauptarbeit der Münchener. Es ist immer ein Genuß, dem fairen, intelligenten und ruhigen Spiel dieses einarmigen Mittelläufers zuzusehen, Harlander war, wie stets, der harte und schlagsichere Verteidiger, der nur mit allen Mitteln raffinierter Technik und Taktik zu umgehen war. Kammerloher hielt nicht ganz das, was man sich von ihm versprochen hatte; er fiel aber nicht ganz aus dem Rahmen. Ein Extralob gebührt dem Torwächter Kob, der sich als ganz ausgezeichneter Schlußmann entpuppte. Ihm ist es in allererster Linie zuzuschreiben, daß der Sieg des Klubs nicht höher ausfiel, denn er hielt die unglaublichsten Bälle. Ich erinnere hier nur an einen der bekannten Bodenrutscher Hans Kalbs, der präzis in die untere linke Ecke geschossen, von Kob ganz brillant herausgefischt wurde.

Der beste Teil des Spiels war die erste Hälfte, in der beide Mannschaften zur Höchstform aufliefen. Keines der beiden Teams war besonders überlegen. Der Ball flog von Tor zu Tor, und nur das letzte "Etwas", das der Club eben in höchster Vollendung besitzt, gab den Ausschlag. Das erste Tor fiel schon in der vierten Minute: Träg hat einen Eckball wundervoll vors Tor gegeben, Kob, der angegriffen wurde, hatte keine Zeit zur raumgreifenden Klärung, boxte zu kurz, und Hochgesang köpfte unter lautem Beifall ein. Die Gäste nahmen sich dieses Minustor sehr zu Herzen. Sie zogen frisch vom Stapel, fanden aber in Kalb, Popp und Stuhlfauth nicht zu überwindende Hürden vor. Eine ganz verstickte Geschichte vor dem Clubtor trug nicht zur Beruhigung der aufgepeitschten Nerven bei, bis schließlich Popp den Retter in höchster Not bildete. Zu erwähnen ist noch ein Lattenschuß Faubels aus etwa 20 Metern, der unverhofft abgefeuert wurde und vom langen Heiner nicht mehr erreicht worden wäre. In der 28. Minute gelang dem Halbrechten der Münchner, Hornauer, ein ausgezeichneter Flankenlauf. Seine Flanke verursachte höchst unangenehme Momente für die Clubverteidigung; die sich gegenseitig hinderten Faubel und Gabler waren aber nicht fähig, freistehend, nur wenige Meter vor dem Tore, den Ball an Stuhlfauth vorbei zu bringen. Drei Minuten später war das zweite Tor des Clubs fertig. Wieder zeigte es den Gästen aus München, wies gemacht werden muß. Er nahm in 20 Meter Entfernung einen von Schmitt gut vorgespielten Ball auf, legte ihn sich rasch zu recht und schoß mit ungeheuerer Wucht... an die Stange, Kob springt hinüber, an ihm aber vorbei flitzt das Leder in die Maschen zum 2:0. Sofort nach dem Anstoß war der Club wieder in Front: Wieder konnte aber den von Hochgesang wundervoll vorgelegten Ball nicht mehr vor Kammerloher erreichen.

In der Pause sah man allerseits zufriedene Gesichter. Nicht nur deshalb, weil der Club so glatt im Vorteil lag, sondern weil man ein wirklich erstklassiges meisterhaftes Spiel zu sehen bekam. Lauter Beifall dankte beiden Mannschaften beim Gehen und auch beim Kommen für das bis jetzt Gebotene. Daß bei der herrschenden Bombenhitze das Tempo nachlassen würde, war vorauszusehen. Die Münchner haben Kling und Gabler ausgetauscht, was weder von Vorteil noch von Nachteil für die Elf war. Der Club kombinierte in dieser zweiten Hälfte ebenso meisterhaft, ebenso präzis, ebenso schön und ebenso produktiv. Erfolge blieben nicht aus. In der 18.Minute zog Schmitt mit einer Vorlage Wieders auf und davon, umdrippelte einen Gegner und schoß rasch und dem sich werfenden Kob zum 3:0 ein. Inzwischen hatte sich auch Kling eine schöne Chance geboten: er schoß aber zu leichtfertig, und der schwache Schuß ging weit neben dem Tor vorbei ins Aus. Der Club war stets leicht im Vorteil, aber Harlander und der ganz glänzende Kob hielten das Heiligtum rein. Bis zur 38. Minute, als Schmitt den alten Heiner Träg schön freispielte, ihm den Ball schußgerecht vor die Füße legte, sodaß "jenner" nur einzusenden hatte. Was denn auch mit alter Virtuosität geschah: 4:1. Einige Minuten vorher war Stieglbauer, der Rechtsaußen der Münchner durchgekommen, seine hohe Flanke boxte Stuhlfauth kerzengerade in die Höhe, und den heruntergekommenen Ball köpfte Faubel zum Ehrentor ein.

In den letzten Momenten bot sich Hornauer noch eine große Chance zur Verbesserung des Resutates, in der Hast und Aufregung schoß er aber, wenige Meter frei vor dem Tore stehend daneben.

Unter dem Beifallsgebraus seiner Anhänger, unter Fahnenwinken und Hurrarufen zog der Sieger vom Platze. Aber auch dem Unterlegenen muß Anerkennung und Dank für seine faire und Würdige Leistung gezollt werden.

In Herrn Grannk aus Hamburg lernten wir einen sehr guten, peinlichen und aufmerksamen Schiedsrichter kennen, der wesentlich zum guten Verlauf dieses Kampfes beigetragen hat.

Eine große Arbeit hat die Verwaltung des Allgemeinen Sport-Vereins, an ihrer Spitze Herr Liedke, geleistet. Es gereicht ihr zur Ehre, wenn ich hier gerne niederschreibe, daß die Organisation tadellos, Unterbringung und Abzug der Massen einwandfrei war.

-m.

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